Splitternest
Nekon und lud schwere Schuld auf sich. Sie befleckt meinen Namen bis heute.«
»Dann dürfen wir dem Biest nicht entgegengehen!« rief Cornbrunn. »Wir müssen die Kette vor ihm verbergen.«
»Diesmal braucht er sie nicht«, murmelte der Schattenspieler. »Er hat seine eigene. Die Kette der Thayrin.« Er öffnete die Glasklappe der Laterne und betrachtete die Flamme. »Nun, meine Freunde, wir müssen weiter! Erst nach Tyran, um Aelarian zu holen … dann weiter gen Süden, zum Ausgang, ehe der Hauch von Nekon über die Menschen hereinbricht.«
Er blies das Licht seiner Laterne aus.
KAPITEL 4
Sonne
Die Nacht ging vorüber. Noch leuchteten die Sterne und der Mond über Athyr’Tyran. Doch die Morgendämmerung nahte.
Rumos Rokariac saß inmitten der Ruine. Seine rechte Hand spielte mit dem Sand, der den Boden bedeckte. Er ließ sie durch die verdorrten Finger rieseln und summte vor sich hin. Seine Augen waren auf Laghanos gerichtet.
Still schwebte das Kind über der Steinplatte, gehalten von den Silberklauen. Seine Maske war starr, die Sporne waren gespreizt und kreisten umeinander. Winzige Flammen sprangen zwischen ihnen hin und her, dunkelrot wie das Ende des Knochens, das aus Rumos’ Unterarm ragte. Er glühte in der Finsternis.
»Nun ist die Stunde gekommen, Carputon.« Rumos klang erschöpft. »Lange haben wir gewartet, ein ganzes Leben. Die Bathaquar war stets geduldig, sie zweifelte nie am Sinn der Prophezeiung.« Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. »Der Rosenstock trägt keine Blüten mehr, und Mondschlund schweigt … noch herrscht der Tag, doch bald sinkt schwer die Finsternis in unsre Sinne und hüllt in Schatten, was kein Mensch erblicken darf.«
Er hielt inne, denn er hatte etwas entdeckt. Dort hinten, zwischen den Steinritzen, wuchs eine Rose aus dem Sand … eine schwarze Rose. Ihr Stiel zuckte, die Dornen blitzen, die Blüte öffnete sich lautlos.
Rumos stieß einen verzückten Schrei aus. Er robbte auf beiden Knien zu der Blume, streichelte sie mit bebenden Fingern. »O mein Herr Rumos … es ist wahr! Kahidas Stadt erwacht! Die Rote Herrin … ach, ich wünschte nur, ich wäre stärker, nicht so schwach und einsam … mein Herz zerrissen, in mir pocht die Sehnsucht nach dem Salz der Höhle.«
Er beugte sich vor, berührte die Blüte mit den Lippen. Sie waren so verdorrt, dass er die weichen Blätter nicht spürte. »Alles habe ich gegeben, um Durta Slargin zu vernichten … und sterbe ich, Carputon, wird mein Schüler Uliman den Kampf fortfuhren. Die Flamme brennt auch in ihm, er weiß, was zu tun ist, wenn ich scheitere. Aber das werde ich nicht! Denn ich habe den Auserkorenen gefunden! Er wird sich uns anschließen, erst er, dann Nhordukael … so steht es in der Prophezeiung.« Er fuhr zu Laghanos herum. »Zwei sind es, die dem Schmerz entwuchsen … einer errettet aus der Finsternis und einer aus den Flammen, und beide zweifelnd an dem Band, das sie vereint.« Seine Stimme wurde zu einem Lachen, während er auf Laghanos zukroch. Der blanke Armknochen schabte über den Boden; Sandkörner sprangen prasselnd von ihm weg. »Einer dazu bestimmt, die Rote Herrin zu erlösen, die in den Trümmern ihrer Stadt begraben liegt … der andere, den Weltenwanderer zu blenden, den Meister aller Masken, Dieb des Schwarzen Schlüssels, der dunkle Pfade in die Nebellande schlug!«
Er richtete sich auf. Seine gesunde Hand tastete nach Laghanos. Er erwischte das Bein des Knaben, welches die Silberklauen umschlossen. Seine Finger glichen ihren Spornen, nur waren sie nicht silbern, sondern schwarz. »Einer dazu bestimmt, das Leid zu tragen, der andere, die Schatten zu zerschlagen, bis dass der Rosenstock in neuen Dornen neu erblüht … in neuen Dornen neu erblüht!«
Laghanos schlug die Augen auf.
Rumos ließ ihn sofort los. »Sieh, Carputon! Er kehrt heim!«
Die Silberklauen hoben den Jungen empor, so dass er auf den Bathaquari hinabsehen konnte. Dunkle Augen funkelten unter der Maske.
»Ja, ich bin heimgekehrt.« Die Stimme des Knaben klang fest. »Zittere, alter Mann, denn ich weiß, wer du bist.«
»Hörst du, Carputon?« stammelte Rumos. »Er spricht zu mir … der Auserkorene kennt seinen treuen Diener!« Er streckte den glühenden Armstumpf empor. »Nun ist Durta Slargins Bann gebrochen! Du wirst ihn für immer aus der Sphäre vertreiben, Laghanos. Du kannst Athyr’Tyran erwecken und uns Menschen retten … und uns Zauberern endlich die Macht geben, die er uns verweigert
Weitere Kostenlose Bücher