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Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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ahnungslos … eine goldene Nadel hielt dein Haar zusammen; ein Geschenk deines Vaters, so verrietest du mir, er hatte es zum Anlass deiner Verlobung geschmiedet. Einem reichen Großbürger warst du versprochen, Syllana – und ich Scorutars Schwester, deren Nähe ich kaum ertragen konnte.
    Ach, Geliebte … wir waren beide Gefangene.« Seine Finger gruben sich in das feuchte Erdreich. »Sie sagten, ich dürfte dich nicht wieder sehen, es wäre nicht angemessen. Binhipar befahl mir, mich zusammenzureißen; Scorutar redete mit falschen Worten auf mich ein. Hatten sie denn kein Herz für unsere Liebe? Ich fragte dich, ob du es wagen würdest, ihnen zu trotzen … du hast nur den Kopf geschüttelt. Du wollest nicht Kaiserin sein. Nicht dein Glück aufgeben für den scheuen, unglücklichen Akendor … aber ich habe meinen Willen durchgesetzt, mit Hilfe deines Vaters. Er wusste, welchen Lohn er sich erhoffen konnte, wenn du meine Frau wirst.«
    Ein Tropfen fiel durch die Zweige und traf sein Gesicht. Akendor schloss die Augen. »Syllana, Geliebte … es waren schreckliche Jahre für dich, ich weiß es wohl. Den Hass der Fürsten hast du kaum ertragen, und es wurde nur schlimmer, als Uliman zur Welt kam und ich ihn nach Troublinien schickte. Sie haben uns nach Thax gescheucht, fort aus dieser Stadt … aber da bist du verkümmert, in den schwarzen Mauern von Thakstel. Und als du wieder schwanger wurdest, ein zweites Kind in dir trugst … da haben sie dich umgebracht. Ich weiß es! An einem tristen Tag musstest du sterben … Binhipar ritt mit mir auf die Jagd, im Wald bei Travid. Du bliebst auf einer Lichtung zurück. Ein weißes Kleid trugst du; du warst so schön und winktest mir zu, als ich mich nach dir umsah, ein letztes Mal. Dann ritt ich dem Hirsch nach, den Binhipar erblickt hatte.« Akendors Kopf sank tiefer. Seine Nasenspitze berührte das Gras. »Ich höre es jede Nacht, das Gebell aus der Ferne. Deine Schreie. Das Heulen der wilden Hunde. Der Bote, der zwischen den Baumstämmen auf uns zupreschte, sein Gesicht totenbleich. Und Binhipars Augen, so kalt und unmenschlich. Wir ritten dem Boten hinterher; er zeigte uns die Stelle. Nichts war mehr zu erkennen, dein Haar voller Blut, und deine Arme … deine weichen Arme, die mich umschlangen in der Nacht, die mich liebkosten … abgerissen, zerfleischt, verstümmelt! O Syllana, Geliebte … es war meine Schuld, allein meine Schuld.«
    Sein Mund verzerrte sich. Er blickte wieder zum Hügel auf.
    Dort saß eine Frau im Moos. Sie trug ein weißes Kleid und einen Schleier; ihr langes blondes Haar wehte im Wind. Das Gesicht war bleich wie Marmor. Sie blickte Akendor an, ihre Augen blau und aufmerksam.
    »Syllana.« Er wisperte den Namen voller Gram. »Syllana.«
    Sie erhob sich. »Ich wusste, dass du zu mir kommst, Akendor. Ich habe lange auf dich gewartet … seit dem Tag, an dem ich erfuhr, dass du am Leben bist.« Sie stieg den Hügel hinab, ohne den Blick abzuwenden. Ihr Kleid war verdreckt, Erdbrocken und Moosblüten hingen in ihrem zerzausten Haar. »Ich wusste, dass dein Weg dich hierherführen würde, zu dem Grab. Wenn Vara untergeht, wenn alles zusammenbricht, würdest du dich aus dem Turm befreien und zu mir kommen. Zu mir …«
    Seine Augen füllten sich mit Tränen. Er hatte sie erkannt; ihr Gesicht blass, die Wangen hohl, die Lippen zerbissen, rote Adern im Weiß ihrer Augen. Er senkte vor Scham den Kopf.
    »Sie haben mich belogen«, hörte er sie flüstern. »Sie sagten, du wärest tot, aber sie hatten dich nur versteckt und heimlich nach Nandar gebracht. Aber ich habe keine Ruhe gegeben, bis ich die Wahrheit erfuhr. So wartete ich auf dich, hier an Syllanas Grab, viele Wochen lang; ich ernährte mich von Gras und Fliegeneiern, trank aus dem See und wartete … hier bist du endlich! Endlich bist du bei mir.«
    Akendor bettete den Kopf auf den Boden. Er spürte das nasse Gras auf seiner Wange. Er schloss die Augen. »Endlich bin ich bei dir«, wisperte er. »Doch ich kann … ich kann dich nicht um Verzeihung bitten, Tundia. Es wäre sinnlos. Sinnlos wie mein Leben.« Er krümmte sich zusammen wie ein kleines Kind. »Ich nahm Suena in die Arme, ohne zu wissen, was ich tat. Und doch wusste ich es … ja, tief in mir pochte der Willen zum Mord. Der Wunsch, mich an den Fürsten zu rächen, für den Mord an Syllana, für den Mord an Ceyla. Feigheit und Niedertracht. Deine arme Tochter starb, weil ich zu schwach war, mich zu wehren. Ich verdiene es nicht, dich

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