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Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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erreicht und wollte sich in den Gang ergießen, in dem der Schwan und sein Gefolge verschwunden waren. Doch dann streifte ein Lichtstrahl den Schatten. Eine Laterne!
    Er schreckte zurück! Zerriss in zwei Hälften, und diese schrumpften, gerannen zu Formen … zu Lemuren, Schattengeistern mit bizarren Gliedern, die auf den Wänden tanzten.
    »Meine Freunde, nicht so vorschnell! Wo wollt ihr nur hin? Wohin scheucht euch Mondschlund, der Verruchte?«
    Aus einem der Gänge trat der Schattenspieler. Er hatte die Laterne unter den Arm geklemmt; mit den Händen bewegte er kunstvoll die Hölzchen der Scherenschnitte. Die Schatten folgten seinen Gesten, formten sich zu artigen Figuren: einem stolzen Baum mit rauschenden Ästen, einer Frau mit wehendem Schleier, einem kleinen Hund, der sich scheu auf dem Boden zusammenkauerte.
    »So gefallt ihr mir besser, meine Freunde! Lernt Geduld, lernt Muße. Genau wie eure Brüder, die in den Zweigen von Schattenbruch umherhuschen, sollt auch ihr durch die Dunkelheit schweben … frei und mit Würde.«
    Aldra lächelte. Zwischen seinen Füßen flitzten die Kieselfresser hindurch und lugten misstrauisch auf die Erscheinungen. Grimm wagte sich sogar ein bisschen weiter; er fauchte und drohte mit den Tatzen. Doch eine plötzliche Bewegung des Hündchens raubte ihm allen Mut. Er purzelte auf die Nase, und mit einer irrwitzigen Rolle brachte er sich in Sicherheit.
    Nun trat Cornbrunn aus dem Gang. »Und wieder Schatten«, fluchte er. »Das ganze Verlies ist voll von ihnen! Woher kamen diese, Aldra? Habt Ihr sie aus den Mauern hervorgelockt?«
    Der Schattenspieler sah ihn empört an. »Keineswegs! Das ist Mondschlunds Brut … er hetzt sie durch das Verlies. Warum nur, meine Freunde? Was will der Blender damit erreichen?« Er blinzelte in das Licht der Laterne. »Etwas geht dort oben vor sich … in der Stadt, die über dem Verlies liegt. Fürchtet Mondschlund, seinem Widersacher zu unterliegen? Ist dieses wilde Schattenspiel ein letztes Aufbäumen des Blenders?« Ratlos zuckte er mit den Schultern. »Wenn Mondschlund fällt, sind seine Schatten ganz entfesselt. Aber was dann, meine Freunde? Werden sie sich in dunklen Winkeln verkriechen und vergehen, wenn der erste Lichtstrahl sie küsst? Werden sie in der Nacht dem Verlies entsteigen, um die Menschen zu jagen … um sie für Mondschlunds Fall zu strafen? Das könnte ich nicht ertragen – ich, der ihnen allen Frieden wünscht. Mondschlund hätte sie niemals aus dem Schwarzen Schlüssel lösen sollen.«
    Cornbrunn wurde ungeduldig. »Wir sollten jetzt nicht darüber nachdenken. Erinnert Euch an Eure eigenen Worte, Aldra: Wir wollten Aelarian finden und das Kind aufhalten, den elenden Schwan … so war die Reihenfolge. Sind wir denn zumindest auf dem richtigen Weg?«
    »Ganz bestimmt, mein ungeduldiger Freund.« Aldra faltete die Scherenschnitte zusammen und ließ sie in seinen Taschen verschwinden. Sogleich verblassten die Schattengeister; nichts blieb von ihnen auf den Wänden zurück. Grimm und Knauf bemerkten es mit Erleichterung. Sie stürzten schnaubend zu der Stelle, wo sich eben noch das Schattenhündchen gewälzt hatte, und schnüffelten zwischen den Steinen, als wüssten sie nicht, dass es dort nichts mehr zu finden gab.
    Der Schattenspieler strich über die Kette an seinem Hals. »Der Schwan eilt uns voraus … die Kette verrät es mir. Es gibt eine Verbindung zwischen ihr und der seinen. Der Silberne Kreis, er besteht noch immer und fesselt uns aneinander. Das Kind Uliman irrt durch die Gänge, aber es wird stets in meiner Nähe sein; und wer von uns zuerst Sternengängers Insel findet, der bestimmt auch den Weg des anderen. Dies ist Sternengängers Fluch. Der Fluch des Silbers.« Er wiegte den Kopf. »Wir müssen ihm zuvorkommen, meine Freunde. Sonst wird der Hauch von Nekon über die neue Insel kriechen, und alle, die sich dorthin gerettet haben, gehen zugrunde …«
    »Wie in Nekon«, flüsterte Cornbrunn. Der Schattenspieler hatte ihm von der grässlichen Schlacht erzählt, der letzten des Südkriegs, als die Bathaquari das vereinte Heer der Arphater und Gyraner ausgelöscht hatten … Ein fauliger Hauch war durch das Tal von Nekon geweht und hatte nur jene verschont, die sich zu Tathril bekannt hatten – dem Gott der Sitharer und Troublinier, dem Gott der Bathaquar. Mit mulmigem Gefühl dachte Cornbrunn an die Worte, die der Schwan in der Höhle gesprochen hatte.
    »Dann also weiter«, sagte er, von plötzlicher Unruhe

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