Splitternest
Mondschlund schweigt«, flüsterte Nhordukael.
Mondschlund wurde von Krämpfen geschüttelt. Sein Oberkörper sackte nach vorn; nur der Stab hielt ihn aufrecht. Flammen zischten in seinem Mund. Und aus allen Poren, aus winzigen Wunden, die sich auf seiner Haut öffneten, spritzte flüssiges Gold, in heißen Tröpfchen, die auf der Tischplatte niedergingen wie ein kostbarer Regen.
Baniter beobachtete mit Grauen, wie Mondschlunds geisterhafter Leib erstarrte. Er war nun nicht mehr als eine goldene Hülle, rußend und von Flammen umzuckt.
Nhordukael zog den Stab zurück. Mit einem Knirschen löste er sich von Mondschlunds goldenem Kiefer.
»Und Sternengänger?« fragte er plötzlich. »Wo ist Sternengänger?« Er drehte sich zu Baniter um.
»Er ist fort! Im Körper des Jungen.« Baniter hütete sich zu erklären, dass er selbst Durta Slargin befreit hatte.
»In Laghanos’ Körper?« Traurig setzte Nhordukael die Spitze des Stabs ab. »Mondschlund schweigt, aber Sternengänger schreitet erneut durch die Welt. Ich konnte es nicht verhindern.« Seine Augen schienen Baniter zu durchdringen. »Alles kommt, wie es kommen muss. Eine letzte Begegnung … ich muss ihm durch die Sphäre folgen und mich ihm dort stellen, wo er mächtiger ist als ich. Aber ich lasse es nicht zu, dass er siegt!«
Er stieg vom Tisch herab und stand nun neben Baniter. Der Fürst spürte die Gluthitze seiner Flammen.
»Ich kann Euch nicht mitnehmen, Baniter – nur meinen eigenen Körper. Ihr müsst durch das Verlies gehen. Aber es wird Euch gewiss leicht fallen, nun, da Ihr die Geheimnisse des Schwarzen Schlüssels kennt.« Nhordukael deutete auf das Buch. »Wisst Ihr, wo sich der Ort befindet, an dem Ihr gefangen seid? Kennt Ihr diesen Saal?«
Baniter sah sich um. Die Geister ringsum verblassten; selbst die tote Hülle Mondschlunds verlor ihren Glanz. Doch der glühende Wind strich noch immer um seine Schultern. Er spürte die Sandkörner auf der Haut.
»Es ist der Pradan-Anuf. Der Wind der praatischen Wüste. Lyndolins Traum …« Baniter nickte langsam. »Ja, ich kenne den Ort. Ich war schon einmal ganz in seiner Nähe.«
»Dann werdet Ihr den Weg durch die Sphäre allein finden.« Nhordukael packte den Stab mit beiden Händen. »Achtet auf die Türen des Verlieses. Sie öffnen sich den Wissenden … allen, die der Sphäre zu nahe kamen.« Er wandte sich um. »Wir werden uns nicht wieder sehen, Fürst Baniter. Ich muss den Goldéi ein letztes Mal entgegentreten – und Sternengänger. Denn wenn ich es nicht tue, ist Gharax umsonst untergegangen. Ihr aber seid nun ein freier Mensch. Geht nach Vara zurück, wo Ihr hingehört. Ihr seid nicht länger Mondschlunds Sklave, und kein Kaiser, kein Herrscher, kein Fürst. Vergesst nicht, wer den Silbernen Kreis schuf. Vergesst nicht, dass er zersprungen ist.«
Nhordukael schloss die Augen. Er hob seinen Stab. Öffnete seine Augen der Sphäre.
Der Widerschein der Flammen erlosch. Dunkelheit füllte den Saal, und Baniter wurde von einem jähen Schmerz zu Boden geworfen; seine Kehle wie von Nadeln durchbohrt, seine Stirn von einem Hieb getroffen, der all seine Sinne betäubte.
»Und du bist dir sicher, dass es Uliman war?«
Die beiden Troublinier schleppten sich mühsam durch den engen Gang. Cornbrunn stützte den Großmerkanten; dieser lahmte noch immer, seit er sich in Kahidas Hallen den Knöchel verstaucht hatte. Der Weg wand sich in irrwitzigen Kurven; vor ihnen eilte der Schattenspieler und winkte mit seiner Laterne.
»Uliman … nein, ich will es nicht glauben!« Aelarian Trurac schüttelte den Kopf. »Halb Kind, halb Schwan, eine silberne Kette um den Hals und schwarze Flügel auf dem Rücken … das klingt nach einer Geschichte, wie sie selbst die Fischer Rhagis nicht dreister hätten erfinden können. Hast du das nicht vielleicht alles geträumt, Cornbrunn?«
Sein Diener blickte ihn sauertöpfisch an. »Es ist mir ernst damit! Der Knabe rief mehrmals seinen Namen, und er trug die Fürstenkette der Thayrin. Blonde Locken. Ein zartes Gesicht. Halb Kind, halb Schwan.« Er schlang den Arm fest um Aelarian. Mit einem Schnalzen scheuchte er die Kieselfresser fort, die betroffen um ihre Schuhe strichen.
»Wenn das wahr ist …« Aelarian ballte die Fäuste. »Oh, wenn das wirklich wahr ist, dann bedauere ich es, nicht in das Feuer gespuckt zu haben, in dem Rumos Rokariac verbrannte. Was hat er mit dem armen Kind gemacht?« Er biss sich auf die Lippe. »Uliman war kein schlechter Junge
Weitere Kostenlose Bücher