Splitterseelen
Stockholm-Syndrom … Das ich nicht lache.“
Dabei lachte Jason gar nicht. Und auch ihm, Mijo, war überhaupt nicht zum Lachen zumute. Der einzige Grund, dem Süßen nicht ins Gesicht zu brüllen, dass er sich bis über beide Ohren in ihn verliebt hatte, war die Tatsache, dass Jason ihm nicht geglaubt hätte.
„Wenn ich daran denke, dass ich beinahe meine Prinzipien über Bord geworfen und mich bereit erklärt hätte passiv zu sein …“ Jason schnaufte empört.
Danke Schätzchen, diese Ansage ist wie der zusätzliche Schlag mit der Schaufel genau auf die Zwölf.
„Da hast du aber Glück, dass Calael viel zu devot ist, um deinen Arsch zu fordern.“
„Ich glaube, du hast mich missverstanden, lieber Mijo. Ich will keinen von euch beiden. Und nachdem, was Sharnak uns erzählt hat, bin ich euch beiden Quälgeister ohnehin bald los. Wir ziehen dieses verdammte Ritual durch, ich gehe durch einen Spiegel nach Hause und wir schließen das Tor. Dann bin ich auf der Erde, bei Apfelpfannkuchen und Leuten mit Hirn und Undina …“
„Udeah!“
„Es ist mir scheißegal wie diese verschissene Welt heißt“, schrie Jason. „Erde! Erde! Das ist es, was mir wichtig ist. Ich will zurück nach Hause. Fort von euch Katastrophen auf zwei Beinen. Hast du das begriffen?“
„Jason, ich bin weder taub noch doof.“
„Das mit dem Doof lassen wir mal dahingestellt“, fauchte dieser unbeschreiblich süße Knusperkeks. Selbst wenn Jason stinkig war, strahlte er wie ein Atomreaktor Halt mich fest in deinen Armen! aus. Tatsächlich schmerzten Jasons Worte, obwohl der Kleine mit jedem von ihnen recht hatte. Wollte Mijo ehrlich mit sich sein, musste er zugeben, dass er Jason wirklich hatte gegen Calael aufbringen wollen. Tat man das nicht, wenn man sich in jemanden verliebt hatte und Konkurrenz im Anmarsch war? Nannte man das nicht um seine Liebe zu kämpfen? Mijo hatte sein ganzes Leben lang gekämpft. Ums Überleben, um einen Platz zum Schlafen, um Respekt und Anerkennung … Alles, was er wollte, war jemand, der endlich fest zu ihm gehörte. Jemand, der ihm versprach, ihn nie wieder allein zu lassen und der ihn in die Arme nahm, wo auch er ein Zuhause fand. War das zu viel verlangt? Anscheinend ja. Er hatte diesen Traum vergeigt.
„Mijo?“
„Was?“, knurrte er unwirsch.
„Heulst du?“
Er blinzelte hektisch, drehte Jason den Rücken zu und grapschte nach einer Decke. Wenigstens gab es hier genügend davon, sodass Jason mindestens fünf mit jeder Hand festhalten konnte. Das war knuffig gewesen: Jason, der sich die ganze Zeit an dieser Decke festgekrallt hatte. Wie an einem Kuscheltier …
„Mijo?“
„Zum Donnerwetter! Ich heule nicht. Und wegen dir schon gar nicht. Gibst du endlich Ruhe? Ich bin müde und will endlich etwas schlafen. Da ich ja die ganze Zeit auf dich Softie aufpassen musste, hatte ich noch nicht viel Zeit zum Erholen gehabt. Also sei so gut und halt die Klappe.“ Nach diesem Ausbruch zog sich Mijo die Decke über den Kopf und begann die Stunden zu zählen, die er noch in Jasons Nähe verbringen durfte. Stunden, bis Jason zur Erde zurückkehrte.
Und ich soll dem Süßen zeigen, wie man Calael die Kehle durchschneidet? Das ist ein Riesenwitz, Alter Mann.
Calaels Adra landete mit mehreren Hüpfern, die ihm zeigten, wie erschöpft das Tier inzwischen war. Als es den Schnabel öffnete, kletterte er gleich hinaus, damit sich der Vogel zurückziehen konnte. Dankend strich er über das mausgraue Fell des Adras, der kurz mit dem Schnabel klapperte und danach langsam davonwatschelte. Calael schaute sich um. Vor ihm befand sich ein gewaltiger Palast, protziger als alles, was es in Preside Hill gab oder er in Oikos-City, der Siedlung der Dämonen, je gesehen hatte. Warum hatte er von einem derart prächtigen Gebäude noch nie etwas gehört? Auf jeden Fall sollte er diesen Palast einmal näher betrachten. Calael marschierte entschlossen auf das Tor zu, als er die Bewegung aus den Augenwinkeln bemerkte. Hastig fuhr er herum, riss in der Bewegung ein Schwert hervor und verharrte dann verblüfft. Ein weiterer Adra landete nur wenige Schritte von ihm entfernt. Als der Schnabel aufklappte, konnte er ein Stöhnen nicht ganz unterdrücken. Was wollte DIE denn hier?
„Eine höfliche Person würde mir nun die Hand reichen und mir hinaus helfen.“
„Seit wann hältst du mich für höflich, Andina?“
Calael ließ die Waffe sinken und reichte seiner Widersacherin eine Hand.
„Vielen Dank. Wie
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