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Splitterseelen

Splitterseelen

Titel: Splitterseelen
Autoren: Sandra Busch , Sandra Gernt
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hatten, wo auch immer „hier“ sein mochte. Was mit Mijo und den anderen geschehen war, wusste er nicht, darum hatte er sich darauf verlegt, die unwissende Unschuld zu spielen und so zu tun, als wäre er davon überzeugt, auf der Erde zu sein. Zur Not musste eben der Schock über das Monster herhalten, um seine Verwirrung zu begründen – und der Schock saß tatsächlich noch tief. Fragen zu den Wunden, die der Tentakelbaum ihm zugefügt hatte, hatte er mit einem verschämten Schulterzucken und „manchmal geraten Fesselspielchen außer Kontrolle“ abgetan. Magie sei Dank hatte er kaum Schmerzen, was ihm das Denken ein wenig erleichterte. Leider konnte er die Angst um Mijo nicht verdrängen. Am liebsten hätte er diesen Mann, der ihm gegenüber saß, durchgeschüttelt, bis er wusste, ob es Mijo gut ging. Calael jedenfalls schien zwar äußerst nervös und angespannt, soweit er das über den Seelenstein wahrnehmen konnte, insgesamt aber wohlauf zu sein.
    „Ist Ihnen … nicht irgendetwas Ungewöhnliches an Ihrer Umwelt aufgefallen?“, fragte der Mann, der sich ihm nicht einmal namentlich vorgestellt hatte.
    „Doch, eine Menge. Neuseeland sieht nun mal anders aus als Maine, das ist okay.“
    „Häh?
    „Na ja, Neuseeland halt. Mijo hatte mir Reisetabletten gegeben, weil ich solche Flugangst habe, ich muss sagen, die waren irre – vom Flug weiß ich gar nichts mehr. Sie haben `ne tolle Landschaft, Sir, und die Tiere erst! Aber zurück zu meinem Anwalt. Ich will telefonieren!“
    Jason klammerte sich an seine Decke, die man ihm zum Glück gelassen hatte. Lügen fiel ihm normalerweise wahnsinnig schwer, bei diesem Kerl hingegen hatte er weder Skrupel noch fühlte er sich nervös. Vielleicht war er auch einfach zu erschöpft nach den ausgestandenen Todesängsten und dem Gefühlswirrwarr um Mijo.
    Mijo …
    „Ist mein Freund eigentlich auch hier?“, fragte er, bemüht, es nebensächlich klingen zu lassen.
    „Ich komme gleich wieder.“ Abrupt stand der Mann auf und verließ den deprimierend winzigen und leeren Raum. Jason kämpfte mit dem Impuls, sich in eine Ecke zu drücken und die Decke über den Kopf zu ziehen. Verstecken war sinnlos. Alles, was er im Augenblick tun konnte, war warten. Worauf, das wusste er nicht, aber irgendetwas musste schließlich geschehen. Irgendwann.
     

     
    „Glaub nicht, ich wäre dumm, mein Sohn.“
    „…“
    „Ich kenne die Legende von Sharnak. Ich kann mir sehr gut vorstellen, was du mit Mijo dort an der Quelle versucht hast.“
    „…“
    „Du bist zu weich, genau wie deine Mutter und deine nichtsnutzige Schwester. Du hast dich von Mijo einwickeln lassen, nicht wahr? Von allein wärst du bestimmt nicht auf die Idee gekommen, dass du deinen Zwilling behalten könntest, wenn das Weltenportal zerstört ist. Das war dein Ziel, nicht wahr? Du warst zu feige, um den Jungen zu opfern, aber Udeah verlassen wolltest du auch nicht. Also hast du dein kleines, selbstsüchtiges Ich über das Wohl einer gesamten Welt gestellt. Mit den Seelensteinen hättet ihr drei eure kümmerlichen magischen Kräfte vereinen können. Lass dir gesagt sein, das hätte nicht genügt, um das Portal zu zerstören. Außerdem hätte Andina euch den Kopf abgerissen, bevor ihr weit gekommen wäret.“
    „…“
    „Dein Schweigen nutzt dir nichts! Wie kann man nur so dumm sein, Calael? Warum wolltest du deiner verhassten Cousine kampflos alles überlassen? Nach allem, was ich weiß, interessiert dein Jason sich mehr für Mijo als für dich. Warum also? Hat der Dämon dich erpresst? Genötigt? Oder womöglich lange genug gefickt, bis dein Hirn sich verflüssigt hat?“
    Befremdet blickte Calael seinen Vater an. Jenen Mann, den er sein Leben lang ehrfurchtsvoll bewundert und als unerreichbares Vorbild verstanden hatte. Wie gewöhnlich zeigte der Patriarch sich beherrscht, sprach leise, auf einschmeichelnde Weise, demonstrierte Kummer statt Ärger über den missratenen Sohn. Noch vor wenigen Tagen wäre er auf den Knien gerutscht, hätte um Gnade gefleht und sie gnädig erhalten. Offensichtlich hatten das Ritual und die Ereignisse der letzten Stunden alles verändert. Er fühlte Verachtung und Abscheu und hätte über die kleine vulgäre Attacke gerade beinahe gelacht. Was wie ein Ausrutscher erschien, war zweifellos wohl durchdacht, um ihn aus der Reserve zu locken.
    Desinteressiert wandte er schließlich den Blick ab und hielt sein beharrliches Schweigen aufrecht, bis sein Vater den Verhörraum verließ. Er
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