Splitterseelen
immer an Magie diese Quelle schützt, es kann uns hierin nichts anhaben.“
„Verstanden“, hauchte Jason, hängte sich die Decke um die Schulter und blieb Mijo direkt auf den Fersen. Langsam und vorsichtig näherten sie sich der Quelle. Von den Wächtern war nichts zu sehen, allerdings konnten sie in einiger Entfernung ihre Rufe hören.
Auf einmal verschwand die schützende Blase. Sie standen nun direkt vor dem Bassin.
„Tauch den Stein hinein“, kommandierte Mijo und zog den Onyx aus seiner Tasche. Zögernd starrte Jason in die verwirrenden Wirbel des Beckens. So schaute Magie aus? Dieses Strudeln und Kreiseln schien ihn hypnotisieren zu wollen.
„Schatz!“ Mijo stieß ihn an und daher tauchte er rasch den Saphir in die merkwürdige Quelle. Seine Finger wurden feucht. War es doch wie Wasser? Oder Nebel? Es war kühl und seidig, fremd und dennoch vertraut. Er spürte, wie der Saphir in seiner Hand zu pulsieren begann und den Rhythmus eines Herzschlages aufnahm. Calael! Er konnte Bruchstücke von dem wahrnehmen, was Calael erspähte, empfand, hörte … Sein Zwilling rannte vor den Wachposten davon, mitten hinein in Nirtas geschickte Illusionen, die die Posten wirksam ablenkten.
„Fertig?“, flüsterte Mijo.
„Ja. Brauchen wir erneut die Blase?“
„Wir …“
Ein Knurren unterbrach Mijos Antwort. Heiser, bedrohlich und unglaublich wütend. Langsam drehten sie sich um. Vor ihnen stand geduckt ein Monster wie aus einem Alptraum, schuppig, mit einem Stachelbogen über den Rücken und scharfen Klauen.
„Mir fällt gerade wieder ein, was ich vorhin sagen wollte“, sagte Jason und wich Zentimeter für Zentimeter zurück.
„Ach?“ Mijo war kurz angebunden. Auch er starrte voller Schrecken auf das monströse Etwas.
„Ich wollte darauf hinweisen, dass die Quelle möglicherweise nicht nur durch Magie geschützt ist. Ich hatte da so etwas wie Dobermänner im Sinn.“
Heulend stürzte sich das Schuppending auf sie.
„Lauf!“, brüllte Mijo.
Doch Jason lief nicht. Er stand wie festgewachsen still, konnte keinen Muskel rühren. Sein über alle Maßen überanstrengter Geist war nicht fähig, dieses Monster zu begreifen, geschweige denn, vor ihm zu fliehen. Er hörte Mijos verzweifelte Rufe, als der Stachelschupper ihm einen beinahe trägen Hieb mit einer Klaue versetzte und ihn auf diese Weise von den Beinen holte. Das Grollen der Bestie vibrierte in seinem gesamten Körper und obwohl er schrecklich gerne die Augen geschlossen hätte, um seinen Tod nicht anschauen zu müssen, war es ihm unmöglich.
Der gigantische Kopf senkte sich zu ihm herab. Allein der Kiefer war länger als Jason und die klauenbewehrte Pranke, die sich auf seine Brust legte, könnte ihn mühelos wie einen Käfer zerquetschen. Stattdessen stupste sie den Seelenstein an.
Kein Gestank , dachte er. Das Biest besaß keinerlei Geruch, nicht einmal für seine extrem geschärften Sinne. Hoffentlich erwischt es mich sofort richtig. Er hatte jedenfalls keine Lust, verstümmelt in der Gegend herumzuliegen und qualvoll zu verbluten. Die Pranke schloss sich um seinen Körper und hob ihn hoch. Beinahe vorsichtig, ohne ihn zu verletzen. Schmerzhaft war es trotzdem, es schnürte ihm die Luft ab. Wurde er jetzt in den Unterschlupf der Bestie verschleppt, um an dessen Nachwuchs verfüttert zu werden?
Durch das immer lauter werdende Rauschen in seinen Ohren hörte er Mijo, der unentwegt seinen Namen brüllte.
Es tut mir leid … , dachte Jason, bevor sein Bewusstsein schwand.
Nirta klammerte sich an Andina fest, während sie hilflos mitansehen mussten, wie Mijo von drei Wächtern überwältigt und gefangengenommen wurde, während er unentwegt den Namen seines Geliebten rief. Der Anblick von Jasons Körper, der schlaff im Maul des Monsters hing, war grausam. Calael stand nah an sie gedrückt und hielt seinen Seelenstein fest in der Hand. Sein Gesicht war eine wächserne Maske, doch der Saphir pulsierte weiterhin sichtbar gleichmäßig, darum wusste sie, dass Jason lebte.
Die Bestie trug den jungen Mann zu den Wächtern, als wäre sie ein Hündchen, das einen Stock apportierte. Dort angekommen ließ sie Jason fallen. Ein Glück, dass seine Knochen inzwischen magisch verstärkt waren, sonst hätte er sich vermutlich bei dem Sturz aus dieser Höhe den Schädel eingeschlagen.
Erst jetzt atmete Calael wieder durch und verlor ein wenig seiner immensen Anspannung.
„Wir müssen die beiden befreien“, murmelte Andina gepresst.
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