Splitterwelten 01 - Zeichen
Vertreterin Eurer Zunft.«
»Wie darf ich das verstehen?«
»Ich möchte Euch danken, Gildeschwester«, entgegnete der Fürst von Jordråk, wobei er Erik mit einem Blick streifte. »Dafür, dass Ihr das Leben meines leichtfertigen und sich selbst überschätzenden Sohnes gerettet habt.«
»Dankt mir nicht«, wehrte Kalliope ab. »Was ich getan habe, tat ich, um meine eigene Person vor Schaden zu bewahren. Es war sehr viel weniger edelmütig, als es Euch erscheinen mag.«
»Eure Bescheidenheit spricht für Euch«, entgegnete der Fürst, wie es schien, mit einigem Wohlwollen, »aber sie ändert nichts daran, dass ich ein Vater ohne Sohn wäre, wenn Ihr nicht eingegriffen hättet. Ich stehe folglich in Eurer Schuld, und wenn es etwas gibt, das ich für Euch tun kann, so stehe ich bereit.«
Kalliope zögerte. »Ich fürchte, die Gelegenheit ist bereits verstrichen.«
»Wovon sprecht Ihr?«
Kalliope schürzte die Lippen und nahm all ihren Mut zusammen. Es fiel ihr nicht leicht, die Worte auszusprechen, aber sie würde es sich niemals verzeihen, wenn sie es nicht tat. »Ich hätte mir gewünscht, dass Ihr meiner Meisterin mehr Respekt erweist und ihr die Ehre bezeugt, die sie verdient gehabt hätte.«
Magnussons Züge verhärteten sich. »Ich habe Eure Meisterin geehrt, so gut ich es vermochte«, entgegnete er bedächtig. »Aber Ihr dürft nicht vergessen, wer ich bin. Ich habe Pflichten zu erfüllen und ein Amt, das mich bindet.«
»Das verstehe ich – dennoch hatte sie es nicht verdient, heimlich und in aller Stille beigesetzt zu werden. Hättet Ihr sie so gut gekannt wie ich, wüsstet Ihr, wie unangemessen dies gewesen ist.«
»Ich kannte Eure Meisterin kaum, das ist wahr«, räumte Magnusson ein, »dennoch wollte ich weder Euch noch ihr Andenken beleidigen. Nehmt meine Entschuldigung dafür, wenn dieser Eindruck entstanden sein sollte.«
Kalliope fühlte Genugtuung. Ihr war klar, dass dies das Äußerste war, wozu sich der Fürst von Jordråk herablassen würde, und dies vermutlich auch nur unter dem Eindruck der jüngsten Ereignisse. Dennoch konnte sie der Versuchung nicht widerstehen, noch einen Schritt weiter zu gehen …
»Welcher Eindruck sollte denn sonst entstanden sein?«, fragte sie höflich, jedoch mit einer Spur von Provokation.
Magnusson wandte sich an seinen Sohn. »Sie ist voller Stolz«, stellte er fest. »Voller Stolz und Unbeugsamkeit.«
»Das hatte ich dir bereits berichtet, Vater«, bestätigte Erik. »Und sie ist von großer Klugheit und Stärke.«
»Klugheit?« Der Fürst von Jordråk wandte sich wieder Kalliope zu und taxierte sie von Kopf bis Fuß. »Natürlich ist sie klug wie alle Frauen ihres Schlages – so klug, dass einem davon schwindlig wird und man niemals weiß, woran man ist.«
»Wie meint Ihr das?«, fragte Kalliope, die nicht recht wusste, ob man ihr soeben ein Kompliment gemacht oder sie beleidigt hatte.
Magnusson betrachtete sie noch einen Augenblick länger. Dann nickte er bedächtig und beugte sich auf seinem Sitz nach vorn. »Ihr habt recht«, stellte er fest. »Lassen wir das Versteckspielen und sprechen wir offen aus, was wir voneinander denken. Ich weiß, Gildeschwester, warum Eure Meisterin und Ihr nach Jordråk gekommen seid.«
»Tatsächlich?« Kalliope schüttelte den Kopf.
»Jordråk mag eine entlegene Außenwelt sein und abseits der großen Handelsrouten liegen«, knurrte der Fürst, »aber das bedeutet nicht, dass wir nicht wüssten, was andernorts vor sich geht, denn unsere Falken fliegen schnell und tragen die Kunde von anderen Welten rasch zu uns. Und was wir lesen, bereitet uns große Sorge.«
Magnusson blickte sie weiter unverwandt an, so als wolle er abwägen, ob sie sich nur unwissend stellte. »Seit undenklichen Zeiten«, eröffnete er schließlich, »beherrscht die Levitatengilde die Lüfte, und obschon es auf den Welten des Sanktuarions viele gibt, die sich Häuptlinge, Fürsten und gar Könige nennen, ist es in Wahrheit die Gilde, die die Macht in ihren Händen hält.«
»Die Schöpfung hat uns dazu auserwählt, eine große Aufgabe zu erfüllen«, drückte Kalliope es sehr viel wohlwollender aus. »Wollt Ihr uns das zum Vorwurf machen?«
»Nein.« Der Fürst schüttelte das Haupt. »Aber ich frage mich, warum Ihr Euch mit der Machtfülle, die Euch zuteilwurde, nicht mehr zufriedengeben wollt.«
»Wer sagt, dass wir das nicht tun?«
»Sollte es purer Zufall sein, dass nach den unzähligen Zyklen, in denen sich die Völker des
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