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Splitterwelten 01 - Zeichen

Splitterwelten 01 - Zeichen

Titel: Splitterwelten 01 - Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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mochten – nun hatte Thor Magnusson eine Grenze überschritten, die zu verletzen auch einem Weltenherrscher nicht gestattet war. Kalliope hatte das Gefühl, es der Gilde, sich selbst und nicht zuletzt Meisterin Cedara schuldig zu sein, auf die einzig mögliche und angemessene Weise zu antworten. Sie wandte sich ab und verließ die Halle ohne ein weiteres Wort.
    »Kalliope!«, rief Erik ihr nach.
    »Was ist, Gildeschülerin?«, erhob sich Magnussons donnernde Stimme, die von Wänden und Decke widerhallte, »habt Ihr Angst vor der Wahrheit?«
    Kalliope antwortete auch diesmal nicht.
    Eilig durchmaß sie die Gänge und hoffte, dass niemand sah, wie sie am ganzen Leib zitterte vor Zorn, Scham und Verwirrung – und sie war froh, als sich die Pforte der Großen Halle hinter ihr schloss.
    »Du bist zu weit gegangen, Vater«, sagte Erik, als die Gildeschwester den Saal verlassen hatte.
    »Ich denke, nicht. Wie anders sollte ich sonst in ihr Inneres blicken?«
    »Und?«, wollte der Prinz wissen. »Hat ihr Verhalten dir einen Einblick gewährt?«
    Der Herrscher von Jordråk nickte nur.
    Erik beugte sich zu ihm vor. »Was hast du gesehen, Vater?«
    Thor Magnusson sah auf. Eine seltsame Mischung aus Mitleid und Misstrauen stand in seinen Augen zu lesen. »Ich fürchte, dass du dich irrst«, eröffnete er leise. »Sie ist nicht die, die wir suchen.«
    »Aber …«
    »Hast du nicht ihre Worte vernommen? Hast du ihr nicht zugehört, ihren Hochmut und ihre Arroganz verspürt?«
    »Das habe ich«, versicherte Erik, »und dennoch hege ich die Hoffnung, dass sie diejenige ist, auf die wir gewartet haben.«
    Der Fürst sah grimmig zu Boden.
    »Sie muss es sein«, erinnerte ihn Erik. »Sonst ist alle Hoffnung verloren.«

16. Kapitel
    Das Gleichgewicht war wiederhergestellt.
    Zumindest für diesen kurzen, zerbrechlichen Augenblick.
    Über dem Boden schwebend, die Fingerspitzen aneinandergelegt und die Augen geschlossen, weilte Meisterin Harona an jenem Ort, der tief in ihrem Inneren lag und zu dem niemand anders Zugang hatte als sie selbst.
    Für jede Levitatin gab es einen solchen Ort, er war die Quelle ihrer Kraft und ihr arcanum , ihr ureigenstes Geheimnis. Jede Gildeschwester pflegte ihn nach ihren Vorstellungen zu gestalten, eine Projektion ihrer Wünsche und Hoffnungen, aber auch ihrer Ängste und Befürchtungen. Ein Ort, an dem Traum und Wirklichkeit, Fiktion und Wahrheit eine eigenartige Verbindung eingingen. Ein Ort, an dem es keine Masken gab und man auf das reduziert wurde, was man tatsächlich war, die reinste Form des Seins, der Schöpfung selbst am nächsten.
    Ihrem asketischen Wesen entsprechend war Haronas Traumort einfach gehalten.
    Es war eine quadratische Kammer, deren vier Fenster in alle Himmelsrichtungen blickten. Darin saß die Gildemeisterin, jung und anmutig, das Gesicht von langem, blondem Haar umrahmt, und blickte hinaus auf ferne Horizonte, die alle in Flammen standen, das Ende einer alten und der Beginn einer neuen Ära, die aus Feuer geboren wurde.
    Doch Harona war nicht allein in diesem Raum, der nur in ihrer Vorstellung existierte und dennoch von realer Bedeutung war. Ein steinerner Sarkophag stand aufrecht in einer Ecke des Raumes, groß genug, um einen Menschen darin aufzunehmen. Ein schmaler Schlitz war in Gesichtshöhe darin eingelassen.
    »Nun?«, tönte es daraus hervor. »Bist du mit dem, was du erreicht hast, zufrieden?«
    »Durchaus.« Harona nickte.
    »Auf Tridentia mögen deine Pläne aufgegangen sein, aber wie verhält es sich auf den anderen Welten?«
    Die Gildemeisterin dachte kurz nach, ehe sie antwortete. »Alles wurde hinreichend vorbereitet«, erwiderte sie. »Du brauchst dich nicht zu sorgen.«
    Die Stimme aus dem Sarkophag – Harona pflegte sie ihren »Geist« zu nennen – lachte leise. »Du weißt, dass das nie die Dinge waren, um die ich mich gesorgt habe.«
    »Allerdings«, versicherte sie. »Deine Befürchtungen haben stets anderen Dingen gegolten. Und sieh, wohin es dich gebracht hat.«
    »Wir sprechen hier aber nicht über meine Pläne, sondern über deine. Was bringt dich dazu anzunehmen, alles hätte sich zu deinen Gunsten entwickelt?«
    »Die viele Zeit, die ich in die Entwicklung dieser Pläne investiert habe«, erwiderte Harona ohne Zögern, »die nicht enden wollenden Stunden der Vorbereitung. Ich habe nichts dem Zufall überlassen.«
    »Nein«, gab die Stimme zu. »Du hast sie alle manipuliert, hast sie dazu gebracht, das zu tun, was du wolltest – genau wie damals,

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