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Splitterwelten 01 - Zeichen

Splitterwelten 01 - Zeichen

Titel: Splitterwelten 01 - Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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hing – und plötzlich hatte Kalliope das Gefühl, wieder unter Deck der Volanta zu sein.
    Die Erinnerungen fluteten so unwillkürlich in ihr Bewusstsein, dass sie sie nicht zurückdrängen konnte. Angstschweiß stieg ihr auf die Stirn.
    »Was habt Ihr?«
    Sie zuckte zusammen.
    »Achtet nicht auf mich …« Sie schluckte den Kloß hinunter, der sich in ihrer Kehle gebildet hatte. »Ich musste nur gerade an etwas denken. Also, warum habt Ihr mich hergebracht?«
    »Wie ich schon sagte – ich möchte Euch etwas zeigen.«
    »Was für ein Ort ist dies?« Ihre Stimme hallte nach – das Gewölbe schien tiefer zu sein, als es den Anschein hatte.
    »Einer, der dem Andenken an die Vergangenheit gewidmet ist«, gab Erik rätselhaft zurück. Er hielt die Fackel so, dass ihr Schein eine glatt gehauene Felswand erfasste, die von Menschenhand bemalt worden war.
    Vor langer, sehr langer Zeit.
    Neugierig trat Kalliope näher und nahm die Zeichnungen, die teils aufgemalt, teils in das Gestein gemeißelt waren, näher in Augenschein. Sie entstammten einer primitiven Kultur und waren entsprechend schlicht gestaltet, jedoch war deutlich zu erkennen, was sie darstellten.
    Sie sah Zeichnungen von Menschen.
    Von einfachen Häusern.
    Und von Schiffen …
    »Dies«, erklärte Erik dazu, »ist die Geschichte meines Volkes. Die Saga der Herren von Jordråk, von ihren Anfängen bis heute. Wie es heißt«, führte er weiter aus, auf die Schiffe deutend, die mit geblähten Segeln über ein großes Gewässer zu fahren schienen, »sind sie einst von weit her gekommen, von einem Ort, den sie Midgard nannten.«
    »Ein jedes Volk des Sanktuarions hat seine eigene Version von der Entstehung seiner Welt und seiner Kultur«, gab Kalliope wenig beeindruckt zurück. »Sehr oft ist darin von Schiffen und von weiten Reisen die Rede. Auch wir Gildeschwestern glauben, dass die Gründerinnen unserer Schwesternschaft an Bord eines großen Schiffes nach Ethera gekommen sind, das sie archa nannten und das nach der Großen Flut …« Sie verstummte, als ihr klar wurde, dass sie von Dingen sprach, die keinen Außenstehenden etwas angingen. Sie rügte sich innerlich für ihre Unvorsichtigkeit.
    »Und glauben die Gildeschwestern auch an Ragnarök?«, fragte Erik.
    »Was ist das?«
    »Erinnert Ihr Euch an das, was ich Euch über die Ebene von Vigrid erzählte?«
    »Ja.« Kalliope nickte. »Ihr sagtet, dass zwischen Euren Göttern und den Giganten des Eises eine große Schlacht stattgefunden hätte, aus der schließlich das Sanktuarion hervorging.«
    »In der Tat«, bestätigte Erik. »Dies war Ragnarök. Der letzte Kampf.«
    »Wir nennen es die Apokalypse«, entgegnete Kalliope, »der Beginn von allem.«
    »Oder das Ende«, erwiderte Erik rätselhaft.
    Sie waren weitergegangen, während sie sprachen, und hatten eine Reihe von Wandgemälden passiert, die all das illustrierten, wovon der Sohn des Fürsten gesprochen hatte: vom Kampf der Götter und Riesen bis zur Zerstörung Midgards und der Flucht seiner Bewohner an die Gestade einer Insel.
    Jordråk.
    »Hier ist zu sehen, wie unsere Vorfahren von dem neuen Land Besitz genommen haben«, erklärte er weiter. »Hier wird gezeigt, wie sie die ersten Kämpfe gegen die Skolls führten. Und hier …« Er unterbrach seine Erläuterungen und überließ es Kalliope, sich die Bilder anzusehen und sich ihre eigenen Gedanken dazu zu machen.
    Kalliope traute ihren Augen nicht.
    Auf den nächsten Darstellungen glitten Vögel auf weiten Schwingen majestätisch durch die Lüfte, und auf dem Rücken dieser Tiere – saßen Menschen!
    Krieger mit gehörnten Helmen und langen Lanzen, an denen bunte Banner flatterten.
    Und sie flogen …
    »Was ist das?«, wollte sie mit belegter Stimme wissen.
    »Die Adler des Eises«, gab Erik zur Antwort. »Mächtige geflügelte Kreaturen, die die Lüfte beherrschten, lange bevor die Gilde es tat.«
    Kalliope hatte befürchtet, dass er etwas Derartiges sagen würde. »Das ist Blasphemie«, stieß sie hervor. »Kennt Ihr den Wortlaut des Paktes nicht?«
    »Es ist Blasphemie, die Geschichte seines Volkes zu kennen?«, fragte Erik.
    »Nein.« Verwirrt schüttelte Kalliope das Haupt. »Es ist Blasphemie, die Vorherrschaft der Gilde infrage zu stellen.«
    »Damals gab es noch keine Gilde«, gab Erik zu bedenken, »und daher auch noch keinen Pakt.«
    Kalliope starrte weiter wie gebannt auf die Zeichnungen. Die Vorstellung von Menschen, die auf riesigen Vögeln ritten, war zugleich faszinierend und

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