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Splitterwelten 01 - Zeichen

Splitterwelten 01 - Zeichen

Titel: Splitterwelten 01 - Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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helfe, oder nicht?«, fragte sie barsch dagegen. »Also halt die Klappe. Und wenn es Götter gibt, an die du glaubst, solltest du anfangen zu beten.«

19. Kapitel
    Kalliope hatte alles versucht.
    Alles, um Eriks Worte als verleumderische Lüge zu entlarven, alles, um sich nicht eingestehen zu müssen, dass der Prinz von Jordråk ihr die Wahrheit gesagt hatte, sowohl, was die Vergangenheit seines Volkes betraf, als auch die der Schwesternschaft. Doch sie brauchte nur an die Knochen zu denken, die dort unten in jener Kammer ruhten, aufbewahrt seit Hunderten von Zyklen, und all die Gedankengebäude, die sie kunstvoll errichtet hatte, um sich das Offenkundige nicht eingestehen zu müssen, brachen in sich zusammen.
    Jenes Skelett dort unten war so wirklich wie sie selbst, daran konnte nicht der geringste Zweifel bestehen – aber warum gab es diese Tiere nicht mehr? Die Antwort, die Erik ihr auf diese Frage gegeben hatte, war ebenso ungeheuerlich wie bestürzend, und sie war der Grund dafür, dass Kalliope noch immer schwer an jener Entdeckung zu tragen hatte.
    Sollte es wirklich sein, wie er behauptet hatte? Sollte die Gilde dafür gesorgt haben, dass jene Kreaturen vom Himmel verschwanden, damit sie selbst die Vorherrschaft über die Lüfte erlangen konnte? Sollten Gildeschwestern willentlich in den Lauf der Schöpfung eingegriffen haben, um ihre eigene Macht zu mehren und ihre Interessen zu wahren?
    Der Gedanke allein schon war Verrat an dem Eid, den Kalliope geschworen hatte. Aber musste Kalliope im Interesse des Gleichgewichts nicht zumindest in Erwägung ziehen, dass der Sohn des Fürsten die Wahrheit sprach? Zumal es nicht die einzigen Vorwürfe waren, die er gegen die Gilde erhoben hatte …
    »Die Gilde spricht gerne vom großen Plan und von der Ausgewogenheit der Schöpfung, wenn es ihren Zwecken dient«, hatte er gesagt. »Dabei ist sie selbst es gewesen, die massiv in diesen Plan eingegriffen hat, nicht nur hier auf Jordråk, sondern auch auf anderen Welten.«
    »Inwiefern?«, hatte Kalliope wissen wollen.
    »Habt Ihr Euch nie gefragt, weshalb es keine großen Kreaturen des Himmels mehr gibt? Nichts, das stark genug wäre, um einen Menschen oder auch nur eine Last von einer Welt zur anderen zu tragen? Die Erzählungen der Völker sind voll von fliegenden Kreaturen – wohin sind sie alle verschwunden? Wo sind all die mächtigen Vögel und Drachen, von denen die alten Geschichten berichten?«
    »Märchen. Sie haben nie existiert.«
    »Sie haben existiert«, hatte Erik beharrt und auf das Skelett des Eisadlers gedeutet, »und dies ist der Beweis.«
    »Wenn Ihr recht hättet – warum wissen so wenige Menschen von diesen Dingen?«
    »Weil die Kenntnis darüber aus den Chroniken getilgt und ins Reich der Legenden verwiesen wurde – und weil die Gilde selbst es bei Strafe verboten hat, sich jener Zeiten zu erinnern, in denen die Lüfte des Sanktuarions noch nicht ihr allein gehörten. Blasphemie pflegt sie das zu nennen und es mit aller Härte zu bestrafen.«
    »Wenn es so ist«, hatte Kalliope gefragt, »weshalb habt Ihr dann die Erinnerung bewahrt?«
    »Sehr einfach«, hatte Erik geantwortet, »weil ohne Wurzeln nichts existieren kann.«
    Die Worte waren ihr seither nicht aus dem Kopf gegangen. Ungezählte Male hatte sie darüber nachgedacht, während sie versucht hatte, nach außen hin Gleichmut zu bewahren. Aber es ließ sich nicht leugnen, dass ihr Weltbild weitere Risse bekommen hatte. Vieles von dem, was sie als sicher gegeben angenommen und woran sie sich ihr Leben lang geklammert hatte, schien plötzlich infrage zu stehen.
    Warum hatte ihre Meisterin ihr nie etwas von diesen Dingen gesagt? Hatte sie selbst nichts davon gewusst, obschon sie eine numerata war und dem Rat angehörte? Kalliope bezweifelte es. Ihre Hoffnung war es, dass es einen guten Grund für all dies gab, einen geheimen Plan, von dem sie nichts wusste und der all die schrecklichen Verdächtigungen und Zweifel, die wie Schlangen aus den Tiefen ihres Bewusstseins krochen und sich mit ihrem Gift auf sie stürzten, auf einen Schlag zunichtemachen würde …
    »Seid Ihr bereit?«
    Eriks Stimme brachte sie ins Hier und Jetzt zurück. Sie war so sehr in ihre Gedanken vertieft gewesen, dass sie für einen Moment alles um sich herum vergessen hatte.
    Das Bankett, rief sie sich ins Gedächtnis zurück.
    Sie befanden sich auf dem Weg zu einer Feier, die in der Halle der Krieger stattfinden sollte. Schon von Weitem hörte Kalliope Musik und das

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