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Splitterwelten 01 - Zeichen

Splitterwelten 01 - Zeichen

Titel: Splitterwelten 01 - Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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bestimmten, sehr einfach, ja nach Maßstäben der Gilde geradezu primitiv waren, schien ihnen dennoch eine gewisse Weisheit innezuwohnen, die weder in komplizierten Regelwerken noch in philosophischen Diskursen wurzelte, sondern in der Schöpfung selbst. Leben und Tod, Freude und Trauer, wärmendes Feuer und eisige Kälte – all dies schien im Dasein dieser Leute einen Platz zu haben und in ausgewogener Balance zu sein. Konnte es eine vollendetere Form des Gleichgewichts geben? Und war die Erlangung von Gleichgewicht nicht das, wonach eine jede Gildeschwester zu streben hatte? War diesen Menschen auf einfache Weise gelungen, wonach viele Meisterinnen vergeblich gestrebt hatten?
    Kalliope nahm das Horn entgegen. Sie musste es mit beiden Händen fassen, um es überhaupt halten zu können. Von neugierigen Blicken begleitet, hob sie es an ihre Lippen.
    Der süßlich-bittere Geruch des Mets flog ihr entgegen und machte ihr klar, dass sie im Begriff war, etwas Verbotenes zu tun. Alkohol jeglicher Art war einer Gildeschwester untersagt.
    Alkohol verwirrt die Sinne.
    Alkohol stört das innere Gleichgewicht.
    Dennoch setzte Kalliope das Gefäß an ihre Lippen und trank. Der Met prickelte auf ihrer Zunge, und er schmeckte ebenso süß wie bitter. Zum ersten Schluck musste Kalliope sich noch überwinden, den zweiten trank sie schon bereitwilliger – und schließlich fand sie sogar Gefallen an dem Getränk, das das Süße und das Bittere zu vereinen schien und damit ein weiteres Beispiel war für die wunderbare Ausgewogenheit im Leben dieser einfachen Menschen.
    Zug um Zug schluckte sie die ölige Flüssigkeit, hörte, wie ein Raunen durch die Menge ging. Ganz offenbar hatten die Einherjar erwartet, dass sie nur daran nippen würde – eine Gildeschwester, die ein Trinkhorn ansetzte und es in tiefen Zügen leerte, hatten sie noch nie gesehen.
    Kalliope hielt die Augen geschlossen.
    Da sie nie zuvor Alkohol getrunken hatte, spürte sie seine Wirkung, noch während sie trank. Dennoch war ihr, als würde sie nach all den Regeln und Gesetzen, den Einschränkungen und Verboten, die ihr auferlegt worden waren, das pure Leben in sich aufsaugen. Sie konnte nicht davon lassen. Immer steiler neigte sich das Trinkhorn in ihren Händen, bis der letzte Tropfen über ihre Lippen rann. Erst dann setzte sie es wieder ab – und blickte in Dutzende großer, vor Erstaunen weit geöffneter Augen.
    Im nächsten Moment brach Jubel aus.
    Der Erste, der die Arme in einer Siegerpose emporriss und lauthals brüllte, war Urgar. Die anderen folgten einen Herzschlag später. Aus voller Kehle schrien die Krieger ihre Begeisterung hinaus, viele schlugen mit den Fäusten auf die Tische, einige mit ihren Helmen, was noch lauter krachte. Allenthalben wurde gelacht und anerkennend genickt. Mit der Rettung ihres Prinzen mochte Kalliope sich die Anerkennung der Einherjar verdient haben – mit dem Leeren des Trinkhorns ihre Sympathie. Es war ganz einfach, so wie fast alles im Leben dieser Menschen. Wohltuend einfach, wie Kalliope fand, deren Sinne plötzlich Mühe hatten, alles zu erfassen.
    Sie wankte ein wenig, und sie war froh, dass Erik neben ihr stand, an den sie sich ein wenig anlehnen konnte.
    »Alles in Ordnung?«, raunte er ihr ins Ohr.
    »Natürlich.« Sie lächelte ihn breit und entwaffnend an. »Was sollte nicht in Ordnung sein?«
    »Ihr steckt voller Überraschungen, Gildeschwester, wisst Ihr das?«
    »Bitte«, sagte sie leise und griff sich an den Kopf, der vom Met und vom Gegröle der Krieger dröhnte, »nennt mich nicht so. Nicht heute.«
    »Wie Ihr wünscht, Kalliope.« Er lächelte ebenfalls. »Wollt Ihr tanzen?«, fragte er dann.
    »Tanzen?« Selbst durch die Nebel des Alkohols war ihr klar, dass diese Bitte ungewöhnlich, ja anmaßend war. Sie war eine Angehörige der Levitatengilde. Gildeschwestern tanzten nicht. Sie waren von tiefem Ernst erfüllt und gaben sich nicht geistloser Zerstreuung hin, die …
    »Musik!«, brüllte Urgar in diesem Moment bereits aus Leibeskräften. »Wir brauchen Musik!«
    Zustimmende Rufe waren zu hören, und von irgendwo hinter den Tischen kam jemand mit watschelndem Gang herbeigeeilt. Es war Hakkit, der Diener, der eine weite Robe über seiner gedrungenen Gestalt und seiner dicken Lederhaut trug. Der Bart des Walrossmanns bebte, und trotz der bedrohlichen Eckzähne, die sein Gesicht verunstalteten, lag ein freundliches Lachen in seinen Zügen. Unter seinem wulstigen Arm hielt er, zu Kalliopes Überraschung,

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