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Splitterwelten 01 - Zeichen

Splitterwelten 01 - Zeichen

Titel: Splitterwelten 01 - Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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eine Harfe, die nur wenige Saiten besaß.
    »Zu Euren Diensten, mein Prinz«, sagte er und verbeugte sich. »Euer ergebener Skalde ist bereit, Eure Ohren mit Lautenklängen zu betören.«
    »Skalde?«, fragte Kalliope nach. »Ihr seid kein Diener?«
    »Nein«, gab Hakkit zu und verbeugte sich abermals. »Ich bin Dichter und Sänger und habe mich der Wahrung der Tradition verschrieben.«
    »Aber warum …?«
    »Es war mein Wunsch«, meldete Erik sich zu Wort. »Mir war klar, dass ein gewöhnlicher Animalendiener Euren hohen Ansprüchen niemals gerecht würde. Also habe ich Hakkit gebeten, diese Aufgabe zu übernehmen.«
    »Und wir haben auf ihn herabgeblickt und auf einem menschlichen Diener bestanden«, fügte Kalliope hinzu und fühlte trotz – oder gerade wegen? – ihres vom Met beeinträchtigten Zustands ehrliches Bedauern. »Bitte, Hakkit«, sagte sie, »nimm meine Entschuldigung dafür.«
    Das Grinsen im Gesicht des Walrossmanns wurde noch breiter, selbst seine kleinen Augen schienen nun zu lachen. »Ich nehme Eure Entschuldigung bereitwillig an«, versicherte er. »Doch grämt Euch nicht mehr deswegen, sondern nutzt die Gunst, die Euch diese Stunde bietet, und erfreut Euch an den einfachen Dingen des Lebens.«
    Die einfachen Dinge des Lebens …
    Die Worte klangen in ihrem Kopf nach wie die Lehrsprüche, die ihre Meisterin ihr mit auf den Weg gegeben hatte, und schon im nächsten Moment vermischten sie sich mit den melodischen Klängen, die der Skalde seinen wulstigen Gliedmaßen zum Trotz der Laute entlockte. Es war eine simple Weise, die die Einherjar begleiteten, indem sie im Takt auf die Tische schlugen – und schließlich begann Hakkit zu singen.
    Es war Kalliopes feste Überzeugung gewesen, dass Animalen und Chimären zur Kunst nicht fähig wären, dass ihr tierisches Erbe und das Fehlen einer Seele sie stets daran hindern würden, schöpferisch tätig zu werden. Ein Irrtum, wie sie nun feststellen musste.
    Denn die Stimme des Walrossmanns war von einer Stärke und Klarheit, wie sie sie bei menschlichen Barden nur selten gehört hatte, ein Bass, der so abgrundtief und doch so melodisch war, dass er alles ringsum in Schwingung zu versetzen schien. Den Wortlaut der Weise verstand Kalliope nicht, aber die schnelle, aus wilden Tonfolgen bestehende Melodie fand direkt in ihr Herz. Der Klang war fremd, ganz anders als die Choräle, die von den musae im artificium angestimmt wurden, oder die Gesänge der Eunuchen am Baum des Lebens, so voller Kraft und Lebensfreude, dass Kalliope sich ihm nicht entziehen konnte.
    »Ja«, sagte sie an Erik gewandt, und zum ersten Mal nach Meisterin Cedaras Tod fiel ihr das Lächeln leicht. »Lasst uns tanzen.«
    Er fasste sie an den Händen, und noch ehe sie sich’s versah, drehten sie sich bereits im Kreis. Die Damen erhoben sich von ihren Plätzen und versammelten sich rings um die Tanzenden, wobei sie rhythmisch in die Hände klatschten. Sogar die Mägde gesellten sich hinzu, und schon im nächsten Moment waren sie umgeben von einem Band wohlwollender, menschlicher Wärme.
    Berauscht vom Met und von den raschen Drehungen des Tanzes ließ Kalliope all ihre Ängste und Befürchtungen fahren und vertraute sich ganz dem Rhythmus der Musik an, lauschte dem Klang von Hakkits Stimme und blickte ins Gesicht des Mannes, dessen Hände inzwischen auf ihren Hüften lagen und den sie mit anderen Augen sah als noch vor einigen Tagen. Durch ihn tat sie Dinge, die sie nie zuvor getan hatte, von denen sie jedoch merkte, dass sie ihr wohltaten.
    Nicht länger fühlte sie sich allein und einsam, sondern war Teil einer Gemeinschaft geworden, wenigstens so lange, wie die Musik und der Tanz andauerten – und sie spürte, dass sie für den Prinzen von Jordråk auf eine Weise zu empfinden begann, die ihr verboten war.
    Denn sie riskierte, dadurch alles zu verlieren.
    »Wie fühlst du dich?«
    Die Frage war blanker Hohn.
    Croy sah aus, als wäre er unter einen Elefanten geraten – und genauso schien er sich auch zu fühlen. Seine Züge waren ausgemergelt, das Fell stumpf und fleckig, der Blick seiner Augen trübe.
    Zwar war es Shen gelungen, durch gezielte Waschungen und das Verbinden mit Moosflechten die zahlreichen Brandwunden so zu versorgen, dass die Entzündungen zurückgegangen und der Schmerz nachgelassen hatte; auch hatte sich das Fieber gesenkt. Jedoch war der Pantheride noch weit davon entfernt, wieder der Alte zu sein. Immerhin war er noch am Leben – und das war weit mehr, als

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