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Splitterwelten 01 - Zeichen

Splitterwelten 01 - Zeichen

Titel: Splitterwelten 01 - Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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nur Jungfrauen sind in der Lage, ihr arcanum zu finden, jenen Ort tief in ihrem Inneren, der frei ist von Leidenschaft und aus dem wir Levitatinnen unsere Kraft beziehen.«
    »Ich … verstehe.« Erik nickte. Ratlos stand er vor ihr, und einen Augenblick lang befürchtete sie, er würde wütend werden und sie den einzigen Freund verlieren, der ihr noch geblieben war. Aber einmal mehr zeigte sich, dass sie den Prinzen von Jordråk unterschätzt hatte.
    Seine sehnige Gestalt straffte sich. Dann trat er einen Schritt zurück und verbeugte sich. »Verzeih mir«, sagte er dazu. »Ich wusste nicht, dass mein Verhalten dich in solche Schwierigkeiten bringen würde.«
    »Es ist nicht deine Schuld«, versicherte sie. »Aus Furcht vor ihren Feinden hält die Gilde Informationen wie diese geheim. Die Schuld trifft allein mich, Erik, denn ich hätte es besser wissen müssen.«
    »Können wir einander dennoch … verbunden bleiben?«, fragte er leise.
    »Das würde ich liebend gerne. Aber das, was du in mir zu sehen glaubst, werde ich niemals sein. Wir stammen aus Welten, wie sie verschiedener nicht sein könnten, und es führt kein Weg von einer zur anderen.«
    »Wenn es so ist, wie du sagst, woher rührt dann das Vertrauen zwischen uns beiden? Woher die Zuneigung? Oder willst du wirklich behaupten, dass es keine Zuneigung gibt? Dass du nichts für mich empfindest?«
    »Nein«, entgegnete sie seufzend, »das will ich nicht. Aber ich darf nicht so empfinden, Erik. Es ist der Pfad ins Chaos, in die Dunkelheit des Nox.«
    »Das Nox?«, fragte er. »Das ist es, was dir Angst macht? Warum fürchten sich die Schwestern der Gilde so sehr, wenn sie doch über größere Kräfte verfügen und der Schöpfung näher stehen als jeder andere?«
    »Vielleicht, weil wir dadurch auch mehr über das Wesen der Dinge wissen«, entgegnete Kalliope. »Das Sanktuarion ist sehr viel größer und komplizierter, als du es dir vorzustellen vermagst, Erik, voller Fragen und ungelöster Rätsel – und wir sind nicht mehr als Staubkörner darin.«
    »Vielleicht«, räumte der Prinz unbeeindruckt ein, »aber manchmal liegen die Dinge auch sehr einfach« – und er hob demonstrativ den rechten Arm, der wie immer im ledernen Handschuh des Falkners steckte.
    Kalliope hatte sich so sehr an den Anblick gewöhnt, dass sie ihn zuletzt kaum noch wahrgenommen hatte. »Was tust du?«, wollte sie wissen.
    »Dir meine Zuneigung auf andere Art beweisen«, erwiderte er, während er damit begann, die Verschnürung des Handschuhs zu lösen. »Indem ich dir etwas offenbare, was außer meinem Vater niemand weiß.«
    Kaum hatte er zu Ende gesprochen, zog er die lederne Hülle herab, die die ganze Zeit über seine rechte Hand und seinen Unterarm bedeckt hatte.
    Darunter befand sich, Kalliope traute ihren Augen nicht, eine behaarte Pranke.
    Es war die Klaue eines Wolfs.

Drittes Buch
    MUNDI COINCIDENT
 
     

 
    »… und so ruht im tiefen Fels,
    was Meisterhand geschmiedet.
    Doch wenn des Hornes Klang ertönt
    und die Krieger ruft zur Schlacht,
    wahrt einer Fremden zarte Hand
    uns vor Tod und dunkler Nacht.«
    Prophezeiung von Ragnarök · Schlussgesang

1. Kapitel
    An einem Seil in die Tiefe zu gleiten, war ungleich schwerer, wenn man nur eine Klaue zur Verfügung hatte. Croy musste all sein Geschick aufwenden, um nicht in die dunkle Tiefe zu stürzen, die unter ihm gähnte wie ein offener Rachen.
    Wits hatte Wort gehalten und die Gefährten zum Eingang des Verstecks geführt – das sich ziemlich unspektakulär als ein tiefes Loch im Boden erwiesen hatte. Für bepelzte Wesen, die sich von Aas ernährten und in der Lage waren, in fast völliger Dunkelheit zu sehen, mochte es die ideale Schatzkammer sein – für Croy hingegen glich es einem Albtraum, sich in den schmalen dunklen Schlund hinabzulassen, von dessen Grund beißender Gestank heraufstieg.
    Dennoch hatte er sein Ziel fest vor Augen.
    Er wollte das Artefakt.
    Um jeden Preis.
    Vorsichtig glitt er an dem Seil in die Tiefe, in das in regelmäßigen Abständen Knoten geschlungen waren. Ohne diese Hilfe wäre es ihm wohl nicht möglich gewesen, mit nur einer Hand zu klettern – so konnte er seine Füße zu Hilfe nehmen.
    Der Panthermann versuchte die Strecke zu schätzen, die er bereits zurückgelegt hatte – vielleicht fünfzehn Klafter. Unter ihm war am Ende der Röhre schwacher Lichtschein zu erkennen, und er hörte Stimmen – kreischende, näselnde Stimmen im eigentümlichen Singsang der Rattenkrieger. Und je

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