Splitterwelten 01 - Zeichen
d-dachte, Novaro arbeitet nicht für das Kontor, sondern auf eigene Rechnung.«
»Das nehme ich an«, stimmte der Panthermann zu. »Aber wenn es etwas gibt, das das Handelskontor antreibt und zusammenhält, dann ist es Gier. Wenn es von dem Artefakt erfährt, so wird es nichts unversucht lassen, um in seinen Besitz zu gelangen – und der Geheimdienst der Kaiserin wird alles unternehmen, um genau das zu verhindern. Ich brauche sie also nur gegeneinander aufzuhetzen, und schon werden sie sich gegenseitig an die Gurgel fahren. Und mir«, fügte er mit einem grimmigen Grinsen hinzu, »wird es eine Freude sein, ihnen dabei zuzusehen.«
»Waaa-warum?«
»Weil ich mit beiden noch eine Rechnung zu begleichen habe, Junge«, entgegnete Croy ohne Zögern – welcher Art die Schuld war, die er einzutreiben gedachte, sagte er jedoch nicht dazu, und Kieron wagte auch nicht, danach zu fragen. Allerdings kam er nicht umhin, sich einzugestehen, dass Jago zumindest in dieser Hinsicht recht gehabt hatte. Dem Pantheriden ging es vor allem um seine Rache …
»U-und wir?«, erkundigte sich Kieron kleinlaut.
»Ihr könnt tun, was euch beliebt«, erwiderte Croy. »Vorerst ist es notwendig, dass ihr hier auf Bazarra bleibt, denn noch sucht man nach uns, und wenn ihr diese Welt verlassen und dabei geschnappt würdet, dann würde das den Geheimdienst direkt zu mir führen.«
»Uuu-und wenn wir versprechen, nichts zu verraten?«
Der Panthermann lächelte nachsichtig. »Ich fürchte, der kaiserliche Geheimdienst kennt Mittel und Wege, jede Zunge zu lösen. Ihr müsst also vorerst auf Bazarra bleiben und euch mit mir verstecken.«
»Verstehe«, erklärte Kieron. Croys Argumentation leuchtete ihm so sehr ein, dass er daran nichts Verwerfliches finden konnte. Jeder Grund, den Panthermann zu verraten oder zu bestehlen entfiel damit also, und Kieron wäre am liebsten auf der Stelle zu Jago gegangen und hätte ihm das gesagt – wäre da nicht etwas gewesen, was der Chamäleonide hatte und was Kieron dringend benötigte …
»Nutze die Zeit, die sich dir hier bietet, Junge«, schärfte Croy ihm ein. »Suche nach Antworten.«
»Uuu-und wenn ich dafür Dinge tun muss, die ich gar nicht tun wi-will?«
»Lass nicht zu, dass deine Furcht dir im Weg steht«, entgegnete der Panthermann ohne Zögern. »Um herauszufinden, wer du bist, darfst du nichts unversucht lassen – denn nur so wird es dir gelingen, das Geheimnis deiner Träume zu entschlüsseln.«
»Iii-ich verstehe«, versicherte Kieron leise und nickte. »Ich verstehe …«
10. Kapitel
Der Kampf um Thulheim tobte.
Von der östlichen Mauer aus hatten sich die Angreifer Zugang zur Festung verschafft und waren von dort immer tiefer in die Burganlage vorgedrungen. Ein Schiff nach dem anderen war vor den Mauern längsseits gegangen, und über die Rabenschnäbel, die in Windeseile Brücken zwischen den Decks und den Zinnen der Festung schlugen, waren die Soldaten des Königs in Thulheim eingefallen.
Zunächst nur ein paar Dutzend.
Später dann Hunderte.
Nie zuvor in ihrer langen Geschichte war die Festung einem derart massiven Angriff ausgesetzt gewesen, weder durch die Skolls noch durch die Menschen, als die Stämme Jordråks noch verfeindet gewesen waren und einander blutige Fehden geliefert hatten. Dennoch stellten sich die Kämpfer von Thulheim den Invasoren tapfer entgegen, allen voran der Weltenherrscher und sein Sohn, doch gegen die erdrückende Übermacht der Angreifer hatten sie keine Chance. Mauer um Mauer, Turm um Turm wurde von den königlichen Truppen eingenommen, wer ihnen in die Hände fiel, wurde niedergemacht. Die Zahl derer, die den Angreifern Widerstand leisteten, schrumpfte von Augenblick zu Augenblick. Immer weiter zogen sich die Verteidiger ins Innere der Festung zurück – bis in die Große Halle, wo sie ihre letzte Stellung bezogen.
Aus den Tischen, die die Längsseiten säumten und an denen an glücklicheren Tagen der Fürst und seine Krieger gesessen, dem Gesang des Skalden gelauscht und Met getrunken hatten, wurden in aller Hast Barrikaden gebaut, hinter denen sich die Krieger verschanzten. Von den fünfhundert Recken, die Magnusson zu Gebote standen, waren nur knapp fünfzig übrig geblieben – der Rest lag erschlagen oder verwundet oder war vom Kern der Festung abgeschnitten. Die meisten der verbliebenen Kämpen waren Einherjar, die geschworen hatten, das Leben ihres Fürsten bis zum letzten Atemzug zu verteidigen, aber es waren auch gewöhnliche
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