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Splitterwelten 01 - Zeichen

Splitterwelten 01 - Zeichen

Titel: Splitterwelten 01 - Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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du Thulheim verlassen.«
    »Nein, Herr«, flehte der Angeklagte, »bitte tut das nicht …«
    »Du wirst verstoßen und fortan selbst für dein Überleben sorgen, fernab von unseren Feuern und ohne den Schutz unseres Volkes.«
    »Aber Herr«, wandte Wulfson ein, »das … das ist …«
    »Eine zu harte Bestrafung? Ich könnte dich ebenso gut auf der Stelle töten lassen, Andwari, wüsste ich nicht, dass dein elendes Geschrei die Ahnen beleidigen würde. Denn wer sich des Nachts anschleicht, um wehrlosen Frauen und Kindern die Nahrung zu stehlen, der ist ein Feigling und verdient keinen anderen Tod als diesen.«
    »Gnade!«, flehte der Verurteilte und warf sich zu Boden. »Lasst Gnade walten, Herr, ich bitte Euch! Ich war stets Euer ergebener Gefolgsmann!«
    »Bis zu dem Moment, da du dich entschieden hast, das Gesetz zu brechen«, entgegnete der Fürst und betrachtete die Sache damit als erledigt. Er nickte den beiden Wachen zu, worauf sie den jammernden Dieb unter den Armen packten und nach draußen schleppten. Die meisten der anwesenden Krieger wandten beschämt den Blick, als er sie passierte, andere schmähten und bespuckten ihn, doch niemand zeigte auch nur eine Spur von Mitleid, wie Kalliope feststellte.
    Als sie ihn an den wartenden Gildeschwestern vorbei nach draußen schleppten, kreuzten sich ihre Blicke für einen Moment, und die Schülerin sah die Panik in den Zügen des Verstoßenen. Es war das erste Mal, dass sie jemandem in die Augen blickte, der Todesangst verspürte, und sie erschauderte. Gleichzeitig wurde ihr klar, warum der Fürst von Jordråk kein Rechtsgelehrter und in Fragen des Gesetzes beschlagen sein musste, um über seine Leute zu richten.
    Thor Magnusson war das Gesetz.
    »Wer kommt als Nächstes?«, hörte sie ihn fragen. Erst jetzt gewahrte er die beiden Frauen, die am anderen Ende der Halle standen und darauf warteten, vorgelassen zu werden.
    »Gildemeisterin Cedara und ihre Schülerin Kalliope«, entgegnete Hakkit, der zu Kalliopes Verblüffung keine Probleme hatte, die Namen auszusprechen.
    »Sie sollen vortreten.«
    Der Diener nickte den Frauen zu, dann watschelte er ihnen voraus durch die Halle. Die Tischgespräche, die während der Urteilsverkündung verstummt waren, hatten wieder eingesetzt. Aus dem Augenwinkel konnte Kalliope sehen, wie allenthalben getuschelt wurde, hier und dort wurden verstohlene Blicke gewechselt. Fraglos wussten die Männer, aus welchem Grund die Schwestern nach Jordråk gekommen waren, und ganz offenbar war einigen nicht wohl bei dem Gedanken …
    Kalliope wusste selbst nicht, was sie empfand, während ihre Meisterin und sie den Saal durchschritten, dem Fürsten entgegen, dessen graues Augenpaar sie ruhig taxierte, bis sie schließlich vor ihm standen.
    »Herr«, sagte Hakkit und verbeugte sich so tief, dass seine langen Zähne beinahe den Boden berührten. »Die Abgesandten der Gilde, wie Ihr befohlen habt.«
    Thor Magnusson ließ ein wohlwollendes Knurren vernehmen, worauf sich der Diener rasch entfernte. Auch andere Bedienstete in der Halle waren Animalen, gedrungene, spitznasige Geschöpfe, die sich auf Flossenfüßen bewegten und mit nervösen Augen um sich blickten.
    »Seid willkommen in Thulheim«, grüßte der Fürst von Jordråk schließlich und nickte den beiden Frauen zu. Die rechte Hand behielt er auf dem Knauf des Schwertes, so als würde er auch über sie zu Gericht sitzen.
    »Wir danken Euch, Herr«, entgegnete Meisterin Cedara und vermied es ebenfalls, Ehrerbietung zu zeigen. »Wie ich hörte, erwartet Ihr uns bereits.«
    »Gewissermaßen.« Magnusson nickte. »Nach allem, was geschehen ist, war nicht zu erwarten, dass die Gilde dies unerwidert lassen würde.«
    »In der Tat«, gab Cedara zu. »Doch wir schulden Euch Dank dafür, dass Ihr uns umgehend über den Vorfall unterrichtet habt.«
    »Jordråks Falken fliegen schnell, auf ihren Schwingen pflegt eine Nachricht rasch zu reisen«, entgegnete der Fürst und deutete auf den hölzernen Ständer, der hinter seinem Thronsitz errichtet war. Erst jetzt gewahrte Kalliope die beiden Schneefalken, die darauf hockten und lederne Kappen über den Köpfen trugen. Beide hatten sich so ruhig und still verhalten, dass sie mit ihrem weißen Gefieder für steinerne Standbilder hätten gehalten werden können.
    Magnusson griff in einen Behälter und zog einige Streifen rohen Fleisches hervor, das er an die Tiere verfütterte. Gierig schnappten sie danach und schlangen es am Stück hinunter, was dem

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