Splitterwelten 01 - Zeichen
Die Tatsache, dass eine der Euren auf meiner Welt getötet wurde, lässt mich in Eurer Schuld stehen, und ich will Euch erlauben, Eure Nase in meine Angelegenheiten zu stecken – jedoch nur, soweit es nötig ist, um den Täter zu finden. Solltet Ihr etwas anderes im Schilde führen oder weitere Absichten hegen, so werde ich dies mit aller Macht verhindern.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon Ihr sprecht«, behauptete Cedara und sprach Kalliope damit aus tiefstem Herzen. Wie, so fragte sich die Schülerin, konnte sich dieser halbwilde Mensch anmaßen, solch abenteuerliche Vermutungen zu äußern? Doch Magnusson hatte sein Gift noch nicht aufgebraucht.
»Natürlich nicht«, versetzte er mit vor Sarkasmus triefender Stimme. »Das Anliegen der Gilde besteht lediglich darin, die Welten des Sanktuarions miteinander zu verbinden, nicht wahr? Und sie tut dies aus reiner Selbstlosigkeit heraus, richtig? Nicht im Traum würde sie daran denken, auf andere Weltenherren oder gar den König selbst Einfluss zu nehmen.«
Einige seiner Gefolgsleute lachten, was Kalliope vollends die Zornesröte ins Gesicht trieb. Ihr war bewusst, dass man von ihr erwartete, die innere Balance zu wahren und Gleichmut zur Schau zu tragen, so wie Meisterin Cedara es tat. Aber wie konnte sie das, wenn sie mit anhören musste, wie die Gilde und ihre Mitglieder auf derart infame Weise geschmäht wurden?
»Bei allem Respekt, Fürst Magnusson!«, hörte sie sich selbst rufen, noch ehe sie recht bedacht hatte, was sie tat. Cedara neben ihr zuckte zusammen, machte jedoch keine Anstalten, ihr Einhalt zu gebieten.
»Ja, Schülerin?« Der stechende Blick des Weltenherrschers richtete sich auf sie. »Ihr habt etwas zu sagen?«
»Das habe ich«, bekräftigte Kalliope, verzweifelt darum bemüht, das Gleichgewicht nicht vollends zu verlieren, »denn ich ertrage nicht, Euch auf diese Weise von der Gilde und ihren Schwestern sprechen zu hören.«
»Sieh an«, meinte Magnusson unbeeindruckt, »habe ich Euren Unmut erregt?«
»Von allen Vereinigungen, die im Sanktuarion existieren«, antwortete Kalliope mit bebender Stimme, ohne auf die Frage direkt einzugehen, »und das sind, wie Ihr vielleicht wisst, nicht wenige, werdet Ihr keine finden, deren Ideale so hoch stehend und deren Ziele so selbstlos sind wie die der Gilde. Die Gilde ist es, die das Sanktuarion zusammenhält. Sie ermöglicht den Austausch zwischen den Welten und sorgt für den Fortschritt. Ohne sie wäre jeder Weltensplitter auf sich gestellt und dazu verdammt, ein einsames Dasein zu führen, von anderen Menschen abgeschnitten.«
»Und Ihr denkt, dass dies ein Nachteil wäre?«
»Allerdings denke ich das, denn nur in der Gemeinschaft kann Großes erreicht werden, mit Wissen, Vernunft und Empfinden als den Pfeilern, auf denen jede Weisheit gründet.«
Es war still geworden in der Halle.
Anfangs hatten einige Adelige noch über die Schülerin gelacht, die dem Herrscher von Jordråk Widerworte gab, doch inzwischen waren sie alle verstummt – nicht zuletzt wegen des forschen Tonfalls, den Kalliope dem Weltenherrscher gegenüber an den Tag gelegt hatte. Nun ruhten aller Augen auf ihr, selbst Meisterin Cedara betrachtete sie mit einer Mischung aus, so kam es Kalliope zumindest vor, Tadel und Bewunderung.
»Gildeschülerin«, brummte Thor Magnusson, nachdem auch er sie eine Weile lang angestarrt hatte, »ich rechne es Eurer Jugend an, dass Ihr nicht wisst oder nicht wissen wollt, was doch so offensichtlich ist. Doch nun geht, Ihr habt meine Geduld genug in Anspruch genommen. Hakkit wird Euch zu Eurem Quartier bringen, dort wartet auf den Diener, den ich Euch schicken werde.«
»Wir danken Euch, Herr«, erwiderte Cedara, noch ehe Kalliope etwas erwidern konnte. Dann wandten sie sich ab und folgten dem Animalen den Gang hinab, verfolgt von den Blicken Magnussons und seiner Gefolgsleute.
»Meisterin«, flüsterte Kalliope, kaum dass sie die Halle verlassen hatten und den von Wachen gesäumten Vorraum durchschritten, »ich fürchte, ich muss Euch um Verzeihung bitten.«
»Weswegen? Du bist für das eingetreten, was du für wahr und wichtig hältst. Ich hingegen habe dir eine wichtige Wahrheit bewusst verschwiegen.«
Kalliope nickte. »Ihr wusstet von Anfang an, dass Meisterin Glennara ermordet wurde?«
»Ja, mein Kind.«
»Warum habt Ihr es mir nicht gesagt?«
»Wärst du denn für die Wahrheit bereit gewesen?«, fragte Cedara dagegen.
Kalliope verneinte die Frage innerlich. Sie war auch so schon
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