Splitterwelten 01 - Zeichen
Herrscher von Jordråk ein zufriedenes Lächeln entlockte.
»Hattet Ihr eine ruhige Überfahrt?«, erkundigte er sich dann bei den Gildeschwestern.
»Eine äußerst interessante.« Cedara bedachte Kalliope mit einem wissenden Lächeln. »Und ich schätze Eure Fürsorge. Aber wir sind nicht gekommen, um Höflichkeiten auszutauschen.«
»Dessen bin ich mir bewusst, Gildemeisterin«, versicherte der Fürst. »Ihr dürft mir glauben, dass ich sehr bedaure, was geschehen ist. Wir haben alles darangesetzt, den Mörder zu fassen, jedoch war uns bislang kein Erfolg beschieden.«
Mörder!
Wie der Widerhall eines Hammerschlags dröhnte das Wort durch Kalliopes Bewusstsein.
Hatte sie soeben recht gehört?
Ihr Auftrag lautete doch, nach Gildemeisterin Glennara zu suchen, die auf Jordråk spurlos verschwunden war … oder gab es etwas, von dem sie nichts wusste?
»Ich danke Euch, Herr, nicht nur für Eure Anteilnahme, sondern auch für Eure Bemühungen. Ich bin sicher, die Erhabene Schwester weiß zu schätzen, was Ihr für die Gilde getan habt.«
»Aber Ihr glaubt mir nicht.«
»Ich wurde nicht hierher entsandt, um etwas zu glauben, sondern um nach der Wahrheit zu suchen«, erwiderte Cedara mit einer Geistesgegenwart, für die Kalliope sie bewunderte.
»Wenn es die Wahrheit ist, nach der Ihr sucht, so werdet Ihr nichts weiter finden«, war der Fürst überzeugt. »Meine Männer und ich haben nichts mit dieser Sache zu schaffen. Gewiss war ich in der Vergangenheit nicht immer eins mit dem König, und ich habe auch nie ein Hehl daraus gemacht, dass mir manches an der Gilde nicht gefällt – aber ich würde niemals einen hinterhältigen Mord begehen noch den Befehl dazu erteilen. Der Fürst von Jordråk ist ein Mann von Ehre, Gildemeisterin.«
»Das wiederum bin ich gerne bereit zu glauben«, entgegnete Cedara. »Eure Ehre zu kränken lag nicht in meiner Absicht, Fürst Magnusson. Wenn ich diesen Eindruck erweckt haben sollte, so nehmt meine Entschuldigung dafür an. Doch weilt wohl mindestens einer unter Euren Leuten, der weniger ehrenhaft ist als Ihr selbst – andernfalls wäre unsere geliebte Mitschwester noch am Leben.«
Kalliope streifte ihre Meisterin mit einem Seitenblick. Sie hatte sich also nicht verhört. Glennara war nicht nur verschwunden, wie man ihr zunächst gesagt hatte, sondern ermordet worden, und da Cedaras Züge nicht eine Spur von Überraschung verrieten, hatte sie fraglos davon gewusst. Sie hatte die Wahrheit vor ihrer Schülerin verheimlicht, vermutlich auf Weisung der numeratae …
»Ich wünschte, ich könnte Euch widersprechen«, entgegnete Magnusson, wobei sich seine buschigen Brauen herabzogen und sein Blick sich verfinsterte. »Obschon ich nichts mit dem Mord an Eurer Schwester zu tun habe, ist er in meinem Herrschaftsbereich geschehen, und ich stehe in Eurer Schuld. Ich werde Euch deshalb gestatten, Meisterin Glennaras Tod zu untersuchen und Euch zu diesem Zweck frei zu bewegen.«
»Ohne Einschränkungen?«, fragte Cedara.
»Ohne Einschränkungen«, bestätigte der Fürst. »Einzig mein Diener Hakkit wird Euch begleiten.«
»Um uns zu überwachen.«
»Um Euch hilfreich zur Seite zu stehen«, drückte Magnusson es freundlicher aus. Das Zucken in seinem Mundwinkel ließ jedoch darauf schließen, dass die Meisterin den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
»Mit Verlaub, Herr, so Ihr sie als notwendig erachtet, würden wir die Gegenwart eines menschlichen Dieners vorziehen«, entgegnete Cedara.
Der Fürst von Jordråk lächelte schwach. »Natürlich, ich vergaß … die bekannte Abneigung der Gilde gegen alles Animalische.« Er überlegte einen Moment, dann nickte er. »Ihr sollt Euren Willen haben. Niemand soll behaupten, Thor Magnusson hätte die Abgesandten der Gilde nicht nach Kräften unterstützt.«
»Wir wissen Eure Großzügigkeit zu schätzen.«
»Dennoch rate ich Euch, sie nicht zu sehr zu strapazieren. Ich bedaure, was geschehen ist, und will den Mörder ebenso zur Rechenschaft gezogen wissen wie Ihr. Aber Ihr solltet nicht versuchen, die Situation zu Euren Gunsten auszunutzen.«
»Was meint Ihr?«
»Ihr wisst, was ich meine«, sagte der Fürst von Jordråk voller Überzeugung, sein Blick wurde stechend. »Dies wäre nicht die erste Welt, auf der die Gilde versuchte, auf die Angelegenheiten des Herrscherhauses Einfluss zu nehmen. Wir dürften uns beide darüber im Klaren sein, dass Ihr nicht nur hier seid, um den Mord an Eurer Mitschwester aufzuklären, Meisterin Cedara.
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