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Splitterwelten 01 - Zeichen

Splitterwelten 01 - Zeichen

Titel: Splitterwelten 01 - Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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war ein Emblem eingraviert, das Prisca noch nie zuvor gesehen hatte: zwei Halbkreise, die einander im Scheitel berührten, durchkreuzt von einem senkrecht verlaufenden Balken. »Dieses Schmuckstück«, sagte sie, »hing um deinen dürren Hals, als ich dich festnehmen ließ. Woher hast du es?«

    »Ich … weiß ich nicht mehr … besitze viele Schmuckstücke.«
    »Dennoch hast du dieses ausgewählt.«
    »Weil es mir gefiel … das Zeichen.«
    »Kennst du seine Bedeutung?«
    »Nein.«
    »Schon wieder eine Lüge«, brachte die Inquisitorin in Erinnerung.
    »Ich lüge nicht … weiß nicht, was dieses Zeichen bedeutet.«
    Prisca sandte ihrer Meisterin einen fragenden Blick. Durch die Levitation waren ihre Sinne und Empfindungen noch um vieles deutlicher ausgeprägt als sonst. Sie konnte den Angstschweiß des Gefangenen riechen, fühlte seine Furcht, so wie sie die einschüchternde Präsenz der Inquisitorin spürte.
    Und sie hörte, dass Haronas Stimme ohne eine Spur von Mitleid war, als sie entschied: »Ich fürchte, diese Antwort genügt mir nicht«, und ihrer Schülerin auffordernd zunickte.
    Und Prisca tat erneut, was von ihr verlangt wurde.

3. Kapitel
    Einen Tag und eine Nacht hatte der Marsch durch das Randgebirge gedauert. Der Weg, auf dem Croy seine beiden Begleiter geführt hatte, hatte durch eine bizarre Landschaft geführt: dunkle Röhren aus erstarrter Lava und Wälder aus schwarzen Felsnadeln; vorbei an Gesteinsformationen, die aussahen, als hätte ein dem Irrsinn verfallener Bildhauer sie gemeißelt; durch tiefe Schluchten und Felsengen; über schmale Grate und steile Kare. Über den richtigen Weg schien sich der Pantheride stets im Klaren zu sein, obgleich die Sonne durch die dichten Wolken und den Nebel nie wirklich zu sehen war. Grauer Dunst lag über der Minenwelt und hüllte sie ein, so als wollte sie all das Elend und den Schmerz überdecken.
    »Nergal ist nichts als ein lebloser Klumpen Schlacke«, maulte Jago missmutig, während er Croy auf seinen dünnen Beinen hinterhertrottete. »Wie schaffst du es nur, dich hier zurechtzufinden?«
    »Sehr einfach«, entgegnete der Panthermann leise. »Ich folge dem Geruch des Todes.«
    »Na großartig.« Der Chamäleonid verzog das schuppige Gesicht. »Und das alles nur, weil du unbedingt dein Wort halten musstest. Ich könnte längst auf Irik oder Ratonga sein und dort das Leben genießen, statt in diesem elenden Landstrich hier auf den eigenen Tod zu warten.«
    »Worüber beschwerst du dich? Du warst es, der unbedingt dabei sein wollte, weißt du nicht mehr?«
    »Weil ich keine andere Wahl hatte! Wenn ein Pantheride etwas verspricht, dann mag das unverrückbar feststehen. Wenn ein Chamäleon etwas verspricht, dann ist das allenfalls ein Vorschlag …«
    Croy gab keine Antwort mehr, und auch Kieron hörte nicht wirklich zu. Der Junge hatte sich daran gewöhnt, dass sein einstiger Besitzer unentwegt lamentierte. Er selbst fand keinen Grund, sich zu beschweren – alles war besser, als auf Madagor im Kerker zu schmoren und darauf zu warten, dass Novaro ihm die Haut abzog.
    Am Nachmittag des zweiten Tages erreichten sie den inneren Rand des Gebirges, das einen gewaltigen Kessel rings um Nergal formte. Schon während der letzten Stunden war das Gelände merklich abgefallen, nun brach der felsige Boden senkrecht in die Tiefe, und die drei Gefährten standen am Rand eines Abgrunds, dessen tatsächliche Ausmaße sich nicht feststellen ließen, weil sich der schroffe Fels schon nach einigen Hundert Klaftern im dichten Dunst verlor. Auch der Talkessel, der sich vor ihnen erstreckte, war allenfalls zu erahnen.
    Dennoch war Kieron überwältigt von dem Anblick. Sprachlos stand er, der nie etwas anderes gesehen hatte als die grünen Bäume Shantanpurs, am Rand dieser ebenso kargen wie fremdartigen Welt. Jago guckte wie immer verdrießlich drein und ließ kein gutes Haar an dem, was er sah. Croy erwiderte nichts darauf – der Pantheride schien mit eigenen Gedanken befasst. Innere Dämonen schienen ihn zu jagen, während er mit erstarrter Miene auf jenen Ort blickte, an dem er schon einmal gewesen war. Was genau es mit diesem Aufenthalt auf sich hatte und wie es dem Dieb damals gelungen sein mochte, von Nergal zu entfliehen, entzog sich Kierons Kenntnis, und er wagte auch nicht, danach zu fragen. Es war nicht zu übersehen, dass Croy etwas belastete, seit sie auf der Minenwelt weilten – und Kieron nahm an, dass nicht nur die düstere Gegenwart daran schuld war, sondern

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