Sportreporter
von Nacht, in der ich draußen im Garten stand und, während X im Haus ihre Aussteuertruhe verbrannte, Kassiopeia und die Zwillinge am nördlichen Himmel aufspürte und mich an meinem Platz neben den Rhododendren verwundbar fühlte. Seit der Zeit ist mir, um ehrlich zu sein, der klare Nachthimmel nie mehr ganz geheuer gewesen, gerade so, als sähe ich ihn vom Dach eines hohen Gebäudes aus und fürchtete mich vor dem Blick nach unten. (Mehr und mehr ziehe ich gebrochenen Zirrus oder Schäfchenwolken einem makellosen, sternenklaren Himmel vor.)
»Du brauchst mich nicht zur Tür bringen«, sagt Vicki, die bereits ausgestiegen ist und sich zum Autofenster herunterbeugt. Ich habe hinter ihrem Dart angehalten. Die Bauarbeiter von gestern haben über dem Parkplatz drüben eine falsche Mansarde hochgezogen, obwohl keines der bereits fertiggestellten Häuser ein derartiges Dach hat. Natürlich hatte ich gehofft, sie würde mich noch hineinbitten – auf einen Schlummertrunk. Aber nun sehe ich meine Hoffnungen schwinden. Sie ist nervös geworden, als warte bereits ein anderer in ihrer Wohnung.
»Morgen ist der Tag, an dem er den Stein vom Grab wälzte und von den Toten auferstand«, sagt sie in allem Ernst und sieht mich durchdringend an, als erwarte sie, daß ich einen Psalm aufsage. Sie hat ihre Le Sac-Reisetasche über die Schulter gehängt und trägt die Navajo-Ohrringe. »Ich geh vielleicht in die Frühmesse, nur damit uns weiterhin nichts passiert, eine Art zweite Versicherung. Oder vielleicht geh ich zu den Drive-in-Methodisten in Hightstown. Die sind genauso amtlich wie die anderen. Den Kirchgang versäum ich nicht so leicht. Ich würde ja sagen, komm mit, aber ich weiß, es würde dir keinen Spaß machen.«
»Die Musik schon.«
»Jeder nach seiner Fasson, würd ich sagen.« Zwei Tage sind wir jetzt zusammen gewesen, haben gemeinsam eine andere Geographie erlebt, haben in einem Bett geschlafen, sind zusammen still gewesen, und jeder ist – wie bei einem Ehepaar – auf die Wünsche und Vorstellungen des anderen eingegangen. Doch nun ist das Ende in Sicht, und wir finden beide nicht den Ansatz zu einem angemessenen Abschied. Schnoddrigkeit und eine vage Flegelhaftigkeit dominieren bei ihr, bei mir ist es eine unwissende Höflichkeit. Das paßt nicht gut zusammen.
»Ich seh dich also morgen, ja?« sage ich munter und beuge mich vor, um sie besser zu sehen, und erkenne hinter ihr den großen blauen, ins Zeitalter der Raumfahrt passenden Wasserbehälter und im Hintergrund den großen Ostermond.
»Sei ja rechtzeitig da. Daddy will pünktlich essen, da ist er heikel. Und wir haben eine ganze Stunde zu fahren.«
»Ich freu mich schon sehr darauf.« Das entspricht nicht ganz der Wahrheit, aber es ist meine offizielle Haltung. Tatsächlich denke ich mit furchtbar zwiespältigen Gefühlen an diesen Teil des morgigen Tages.
»Du hast ihn ja noch nie gesehen. Und warte erst mal, bis du meine Stiefmutter kennenlernst. Sie gehört zu einer besonderen Rasse. Wenn du sie magst, magst du auch Spinat. Aber Daddy, das ist schon einer. Du mußt ihn mögen, nur wird er wahrscheinlich dich nicht mögen. Oder zumindest wird er so tun. Seine wahren Gedanken kommen erst später raus. Aber das ist ja auch egal.«
»Du liebst mich doch, nicht wahr?« Als ich zum Kuß das Gesicht hebe, blickt sie keck und taxierend auf mich herunter. Ich frage mich unwillkürlich, ob sie in diesem Moment nicht an eine Zukunft mit Everett in Alaska denkt.
»Vielleicht. Und wenn?«
»Dann wirst du mich küssen und auffordern, heute nacht bei dir zu bleiben.«
»Kommt nicht in Frage.« Sie drückt sich einen dicken Kuß auf die Hand, à la Dinah Shore, und gibt mir eine kräftige Ohrfeige. »Das steht dir zu. Unterschrieben und ausgefertigt, Mr. Neunmalklug.« Und dann geht sie, läuft hopsend auf die verdunkelten Wohnungen zu, über den mickrigen Rasen, durch die beleuchtete Haustür, und ist verschwunden. Und ich bleibe allein in meinem Malibu zurück und starre in den prächtigen Mond, als sei er all das Unerklärliche und zu Erwartende, all die Dinge, die wir freudig zurücklassen und mit noch mehr Freude erneut auf uns zukommen sehen.
Acht
Ein verdächtiges Licht brennt in meinem Wohnzimmer. Ein fremdes Auto steht vor der Tür. Es ist schon nach Mitternacht, doch im zweiten Stock ist Bosobolos Schreibtischlampe an. Mit Ostern sind für ihn zweifellos besondere Vorbereitungen verbunden, möglicherweise eine Predigt in einer der zum Institut
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