Sportreporter
gehörenden Kirchen, wo er gelegentlich aushilft, um seine Evangelisierungstechniken zu verfeinern. Er hat einen Kranz an die Haustür gehängt, eine Entscheidung, über die wir vorher diskutiert haben und die ich billige. Alle Häuser in der Hoving Road sind still und dunkel, seltsam für einen Samstagabend, wo es sonst gesellig zugeht und die Fenster hell erleuchtet sind. Am klaren Himmel über den Platanen und Tulpenbäumen sehe ich nur das zitronengelbe Funkeln über Gotham, das in fünfzig Meilen Entfernung den Himmel erhellt, als sei dort etwas Großes im Gange – ein riesiges Volksfest etwa, oder ein Feuersturm. Und ich bin glücklich, daß ich es sehen kann und daß ich so weit davon entfernt bin, auf der Leeseite dessen, was die Welt da draußen für wichtig hält.
In meinem Haus steht Walter Luckett.
Genauer gesagt: Er wartet in dem Zimmer, das ich nun als behagliches Arbeitszimmer nutze, ein seitlich am Haus gelegener alter Vorbau mit Glastüren, mit überladenen, eher sommerlichen Möbeln, Messinglampen mit Landkarten als Schirmen (aus einem Katalog heraus bestellt), Bücherregalen bis zur Decke und einem purpurfarbenen Perserteppich, den wir mit dem Haus übernahmen. Es ist der Raum, den ich normalerweise als mein Zimmer betrachte, obwohl ich in dem Punkt nicht stur bin. Aber selbst Bosobolo, dem das ganze Haus offensteht, hält sich von dem Zimmer fern, ohne daß ich ihn darum bitten muß. Hier habe ich damals meine Arbeit an Tanger eingestellt, hier verfasse ich die meisten meiner Sportreportagen, hier steht meine Schreibmaschine auf meinem Schreibtisch. Und hier habe ich, als X mich verlassen hatte, Nacht für Nacht geschlafen, bis ich so weit war, daß ich mich wieder die Treppe raufwagte. Die meisten Leute haben so ein behagliches, für sie wichtiges Plätzchen, falls sie in den eigenen vier Wänden wohnen, und dort steht nun Walter Luckett mit einem gequälten, selbstironischen Grinsen, das in Coshocton wohl manches Mädchen einer bestimmten Sorte – gescheit und pockennarbig – denken ließ: ›Da schau her. So was siehst du nicht alle Tage … Ich wette, da steckt mehr dahinter‹, und das später dazu führte, daß sie sich die Hölle auf Erden gefallen ließ, nur um einmal mit ihm auszugehen.
Ich kann allerdings nicht behaupten, daß ich mich über seine Anwesenheit freue, denn zum einen bin ich müde und zum anderen war ich noch vor zwölf Stunden im fernen Walled Lake und führte ein Gespräch mit einem Irren, das ich beim besten Willen nicht für meine Zeitschrift verwerten kann. Im Augenblick will ich das alles nur wegschieben und mich aufs Ohr legen. Der morgige Tag könnte schließlich – wie alle morgigen Tage – immer noch erstklassig für mich laufen.
Walter hat einen Reisetaschenkatalog in der Hand und hat ihn bei meinem Eintreten zu einem festen Megaphon zusammengerollt. »Frank. Dein Butler hat mich reingelassen, sonst wäre ich um diese Zeit nicht hier, Ehrenwort.«
»Geht in Ordnung, Walter. Er ist allerdings nicht mein Butler, er ist mein Mieter. Wo brennt’s?«
Ich stelle meinen kleinen Segeltuchkoffer ab, der aus eben diesem Katalog stammt, den er nun um einen Finger wickelt. Ich mag dieses Zimmer sehr, seinen honiggelben Messingschimmer, die hier und da geringfügig abblätternden Farben, die Sofas und Ledersessel und den runden Holztisch, alles in einer unbekümmerten, schlichten Art und Weise angeordnet, die überaus einladend wirkt. Nichts würde ich jetzt lieber tun, als mich hier irgendwo einzurollen und sieben, acht ungestörte Stunden lang zu dösen.
Walter trägt dasselbe blaue Polohemd und die kurzen Hosen, die er vorgestern im Manasquan anhatte, dazu Slipper ohne Socken und ein Barracuda-Jackett mit einem buntkarierten Futter (meine Verbindungsbrüder hätten »affig« dazu gesagt). Diese Art der »sportlichen Freizeitkleidung« trägt Walter höchstwahrscheinlich schon seit seinen Grinnell-Tagen. Nur seine Augen sehen hinter der Schildpattbrille irgendwie besiegt aus, und seine glänzenden, an einen Wertpapierhändler erinnernden Haare müßten mal wieder gewaschen werden. Walter gleicht, mit anderen Worten, einem wandelnden Leichnam, doch ich habe das Gefühl, er ist hergekommen, um einiges davon mit mir zu teilen.
»Frank, ich hab seit drei Tagen nicht geschlafen«, platzt Walter heraus und kommt zögernd zwei Schritte näher. »Seit ich mich am Strand drüben mit dir unterhalten habe.« Er rollt den Gokey-Katalog zur kleinstmöglichen Röhre
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