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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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zusammen.
    »Komm, ich mach dir einen Drink, Walter«, sage ich. »Und gib mir diesen Katalog, bevor du ihn vollends zerreißt.«
    »Nein danke, Frank. Ich will mich nicht aufhalten.«
    »Ein Bier vielleicht?«
    »Kein Bier.« Walter setzt sich mir gegenüber in einen großen Sessel und beugt sich vor, die Ellbogen auf den Knien: die Haltung eines Mannes im Beichtstuhl, etwas, von dem wir Presbyterianer wenig Ahnung haben.
    Walter sitzt unter einer gerahmten Landkarte der Block-Insel, vor der X und ich einmal segelten. Ich schenkte ihr die Karte zum Geburtstag, beanspruchte sie aber bei der Scheidung. X beschwerte sich, doch als ich sagte, die Karte bedeute mir etwas, gab sie augenblicklich nach – und sie bedeutet mir wirklich etwas. Sie ist ein Bindeglied zu glücklicheren Tagen, als das Leben noch einfach und schmerzfrei war. Es ist so etwas wie ein Museumsstück, und es tut mir leid, daß ich jetzt Walter Lucketts gequältes Gesicht darunter sehe.
    »Frank, du hast ja ein irres Haus hier. Ich meine, als ich vorhin glaubte, du hättest einen farbigen Butler mit britischem Akzent, da hat mich das keineswegs überrascht.« Walter sieht sich anerkennend und mit großen Augen um. »Sag mal, wie lange gehört dir das schon.« Walter grinst mich an wie ein kleiner Junge, der sein erstes Fahrrad bekommen hat.
    »Vierzehn Jahre, Walter.« Ich schenke mir aus einer Flasche, die ich hinter den Welt-im-Bild -Büchern der Kinder aufbewahre, ein ordentliches Glas warmen Gin ein und leere es mit einem Schluck.
    »Das war also noch der alte Dollar. Dazu die Lage hier. Und der Zinsfuß von damals. Da kommt einiges zusammen. Ich hab Kunden hier in der Gegend. Den alten Nat Farquerson zum Beispiel. Ich selber wohne ja jetzt drüben in The Presidents in der Coolidge Street. Keine schlechte Wohngegend, oder was meinst du?«
    »Meine Frau wohnt in der Cleveland Street. Meine ehemalige Frau, sollte ich richtiger sagen.«
    »Meine Frau ist in Bimini, versteht sich, mit Eddie Pitcock. Ausgerechnet.«
    »Ich erinnere mich, du hast es erwähnt.«
    Walters Augen werden ganz schmal, und er blickt mich mit finsterer Miene an, als hätte ich für das, was ich gerade sagte, eine ordentliche Tracht Prügel verdient. Stille breitet sich im Raum aus, und ich kann ein unhöfliches Gähnen nicht unterdrücken.
    »Frank, laß mich zur Sache kommen. Tut mir leid. Seit dieser Geschichte im Americana bin ich nur noch im Tran. Mein Leben ist eine einzige Qual und dreht sich nur noch um diese verfluchte Sache. Himmelherrgott. Ich hab im Leben schon viel schlimmere Dinge getan. Glaub mir, Frank. Mit zwanzig und schon verheiratet hab ich einmal ein dreizehnjähriges Mädchen vernascht und nachher vor Freunden damit angegeben. Aber geschlafen hab ich wie ein Baby. Wie ein Baby! Und da gab’s noch schlimmere Dinge. Aber diese eine Geschichte krieg ich nicht aus dem Kopf. Ich bin jetzt sechsunddreißig, Frank. Und alles sieht in meinen Augen sehr schlecht aus. Ich hab das Gefühl, bei mir tut sich nichts mehr, aus mir wird nichts mehr. Nur bin ich zum falschen Zeitpunkt stehengeblieben.« Ein staunendes Lächeln huscht über Walters Gesicht, und er schüttelt den Kopf. Es ist das Gesicht eines Kriegsinvaliden, der nicht zur Ruhe kommt. Ich finde nur, es ist eine Privatsache, und niemand außer ihm selbst sollte im geringsten damit behelligt werden. »Was denkst du gerade, Frank?« fragt Walter hoffnungsvoll.
    »Eigentlich gar nichts.« Ich schüttle selber den Kopf, um Walter klarzumachen, daß auch ich ein echter Kriegsveteran bin, doch in Wirklichkeit tappe ich in einer Art Nebel herum, der mit Vicki zu tun hat. Ich frage mich, ob sie erwartet, daß ich anrufe und daß wir uns versöhnen, ja, ich frage mich aus irgendeinem Grund, ob ich sie je wiedersehen werde.
    Walter stützt sich schwer auf seine Knie und sieht jetzt eher verbissen als ernst aus. »Was hast du gedacht, als ich vorgestern damit herausgerückt bin? Als ich dir das erste Mal davon erzählt habe? Ganz schön idiotisch, oder?«
    »Ich hab es nicht idiotisch gefunden, Walter. Solche Dinge kommen vor. Mehr hab ich mir nicht dabei gedacht.«
    »Ich steck keine kleinen Kinder in Gefriertruhen, siehst du das auch so, Frank?«
    »Ich hab nie etwas anderes angenommen.«
    Walter zieht ein noch ernsteres Gesicht, in der Art eines Mannes, der neue Grenzbereiche ins Auge faßt. Er hätte gern, daß ich ihm eine gute, weitreichende Frage stelle, die ihm die Möglichkeit gibt, mir eine Menge Dinge zu

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