Sportreporter
zwischen einem BH und einem Trinker?«
»Ich weiß nicht. Was ist der Unterschied, Frank?« Walter findet das nicht sehr komisch, aber was soll’s, ich finde Walter auch nicht sehr komisch.
»Der BH hebt immer nur zwei.« Ich fixiere ihn. Er grinst kurz, lacht aber nicht. »Eigentlich müßtest du jetzt lachen, Walter. Es ist wirklich komisch.« Tatsächlich kostet es mich einige Anstrengung, nicht schallend zu lachen, aber unser Gespräch ist jetzt tiefernst. Scherze nicht erwünscht.
»Vielleicht denkst du, ich brauche ein Hobby oder so was. Stimmt’s?« Walter grinst immer noch, aber alles andere als freundlich.
»Du mußt die Dinge einfach aus einem anderen Blickwinkel sehen, Walter. Das ist alles. Du mußt dir selbst mal eine Chance geben.« Vielleicht würde sich mit einer Hundertdollarhure ein neuer Blickwinkel ergeben. Oder mit einem Abendkurs in Astronomie. Ich mußte siebenunddreißig werden, ehe ich erfuhr, daß mehr als ein Stern der Polarstern sein kann; das war eine große Überraschung für mich und kommt mir immer noch wie ein echtes Wunder vor.
»Weißt du, was wahr ist, Frank?«
»Was denn, Walter.«
»Wahr ist, Frank, daß wir als Erwachsene plötzlich nicht mehr die Betrachter, sondern die betrachteten Objekte sind. Weißt du, was ich damit sagen will?«
»Ich glaube schon.« Und ich weiß genau , was er sagen will; er trifft ins Schwarze wie ein Scharfschütze. Eine Scheidung bringt genügend dieser kleinen Lektionen mit sich, die man sonst in Encounter-Gruppen lernt. Aber es fällt mir doch nicht im Schlaf ein, Epiphanien mit Walter auszutauschen. Auf so was lassen wir uns nicht mal im »Klub der Geschiedenen Männer« ein. »Walter, ich bin ganz schön fertig, ich hab einen langen Tag hinter mir.«
»Und ich sag dir noch was, Frank, auch wenn du mich nicht danach gefragt hast. Ich werde nicht zynisch genug sein, diese Tatsache zu ignorieren. Ich werde mir kein Hobby suchen, und ich werde, verdammt noch mal, nicht als Witzeerzähler auftreten. Als Zyniker kommst du dir schlau vor, klar, auch wenn du’s nicht bist.«
»Schon möglich. Ich hab dir nicht geraten, künftig Fliegen für Angler zu knüpfen.«
»Frank, ich weiß nicht, in welche Scheiße ich mich da reingeritten habe, und es hat keinen Sinn, so zu tun, als wär ich schlau. Ich würde jetzt nicht da drinstecken, wenn ich’s wäre. Ich fühle mich in dieser Dreckslage einfach ausgestellt, und ich hab wahnsinnig Angst.« Walter schüttelt zerknirscht und verwirrt den Kopf. »Mir tut das alles leid, Frank. Ich wollte mich weiter bessern, aus eigener Kraft.«
»Das ist schon in Ordnung, Walter. Ich bin nur nicht sicher, ob du dich wesentlich bessern kannst . Am besten mach ich uns jetzt was zu trinken.« Ganz unverhofft empfinde ich jedoch plötzlich Mitleid mit Walter, dem Besserungswilligen, der es allein zu schaffen versucht. Walter ist der echte New-Ager, und in Wahrheit sind er und ich nicht sehr verschieden. Ich habe Entdeckungen gemacht, die auch er machen wird, wenn er sich erst wieder beruhigt, aber die Zeiten, in denen ich die ganze Nacht aufbleiben konnte, aufgewühlt wegen irgendeines point d’honneur oder wegen eines neuen Romans oder um einem Kumpel Mut zu machen, der in hohen Seegang geraten war – diese Zeiten sind längst vorbei. Ich bin zu alt für diese Dinge, obwohl ich noch nicht sehr alt bin. Der nächste Tag – jeder neue Tag – ist mir zu wichtig. Ich denke zu sehr voraus, richte meinen Blick in die Zukunft. Was ich anbieten kann, ist allenfalls ein Schlummertrunk und dann ein Zimmer für die Nacht, wo Walter schlafen kann, ohne das Licht ausmachen zu müssen.
»Frank, einen Drink nehme ich gern an. Sehr anständig von dir. Und dann mache ich, daß ich hier wegkomme.«
»Bleib doch heute nacht einfach hier. Du kannst auf der Couch schlafen oder in dem freien Bett drüben im Kinderzimmer. Kein Problem.« Ich schenke uns beiden ein Glas Gin ein und gebe eines an Walter weiter. Ich habe noch ein paar rundliche Trinkgläser mit einem Aufdruck der Colts aus Baltimore; ich habe sie aus einem Balfour-Katalog heraus gekauft, als ich noch im College war, in einer Zeit also, als noch Unitas und Raymond Berry die großen Stars dieser Footballmannschaft waren. Und das scheint mir nun genau der richtige Zeitpunkt, sie zu präsentieren. Wenn das Leben besonders trübselig ist, ist der Sport immer eine gute Ablenkung.
»Das ist nett von dir, Frankie«, sagt Walter mit einem sonderbaren Blick auf das sich
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