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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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warnenden Unterton. Ihre strahlenden Augen blicken mich forschend an, und sie verschränkt die Arme in extremer Zeitlupe.
    »Sie kommt mir ganz normal vor.«
    »Na ja, ich dachte nur, weil Sie doch mit ihr in Detroit waren, daß dort etwas Unglückliches passiert sein könnte.«
    Aha! Alle, einschließlich Elvis Presley, wissen alles und wollen es für ihre eigenen Zwecke nutzen, und sei das auch noch so zwecklos. Diese Familie ist für totale Enthüllung. Keine Geheimnisse, es sei denn, einzelne treffen Entscheidungen für sich selbst, womit sie riskieren, auf allgemeine Mißbilligung zu stoßen. Vicki hat offensichtlich eine würzige Kleinigkeit-die-nicht-ausreicht erzählt, und Lynette möchte etwas mehr wissen. Sie ist nicht genauso, wie ich sie mir wünsche, und von diesem Augenblick an verlege ich mich wieder ganz auf das Bündnis mit Vicki.
    »Alles ist in bester Ordnung, soweit ich das überblicke.« Mit einem Lächeln verweigere ich jede Auskunft.
    »Na also, um so besser.« Lynette nickt zufrieden. »Wir lieben sie doch alle und wollen nur ihr Bestes. Sie ist so ein tapferes kleines Ding.«
    Keine Antwort. Kein »Warum ist sie tapfer?« oder »Was halten Sie eigentlich von Everett?« oder »Ja, auch mir kommt sie plötzlich ein klein bißchen komisch vor«. Ich sage nichts dergleichen, nur: »Sie ist wunderbar«, und dann lächle ich noch einmal.
    »Nicht wahr, das ist sie.« Lynette strahlt, aber der warnende Blick ist nicht zu übersehen. Und schon ist sie wieder weg, während Elvis Presley in der Tür zurückbleibt und mich ausdruckslos angafft.
    Bevor Vicki mit den Krocketschlägern zurück ist, kommt ihr Bruder Cade zur Haustür herein. Er ist hinter dem Haus damit beschäftigt gewesen, eine Persenning an seinem Bostoner Walfangboot festzumachen, und als ich ihm die Hand gebe, ist sie steinhart und kalt. Cade ist fünfundzwanzig, ein Schiffsmechaniker im nahe gelegenen Toms River, ein richtiger Schlägertyp in Jeans und weißem T-Shirt. Er steht, wie ich von Vicki weiß, auf der »Warteliste« für die Polizeischule und zeigt schon jetzt die abgestumpfte, polizeitypische Gleichgültigkeit gegen die Eigenheiten seiner Mitmenschen.
    »Von Haddam oben, eh?« brummt Cade, als wir uns nach dem Handschlag gegenüberstehen und einander nichts zu sagen haben. Nichts in seiner Sprechweise läßt auf seine texanische Herkunft schließen; statt dessen ist er bereits ein richtiger Jersey-Jüngling, mit der zersetzenden Aura eines Mannes, der an keinem Ort und in keiner Zeit zu Hause ist. Er ragt neben mir auf wie ein Schiffsmast und blickt finster aus dem Fenster zur Straße. »Hab mal ein Mädchen in New Brunswick gekannt. Bin mit ihr oft Schlittschuhlaufen gegangen, auf einer Eisbahn in der 130. Straße. Wissen Sie, wo das ist?« Er schafft es, zugleich zu kichern und zu feixen.
    »Die Bahn kenn ich gut«, sage ich, die Hände tief in den Taschen. Tatsächlich habe ich dort meinen eigenen zwei kostbaren Kindern (und einmal auch meinem dritten) stundenlang beim Schlittschuhlaufen zugeschaut und mich in distanzierter Bewunderung an der Barriere festgehalten.
    »Heut steht da ja ein Tri-Plex von Mann, wenn ich’s recht weiß«, sagt Cade und blickt sich um, als verwirre es ihn, überhaupt erst in diese peinliche Unterhaltung hineingeraten zu sein. Es wäre ihm viel wohler, wenn er mir Handschellen anlegen und mich kopfüber auf den Rücksitz eines Streifenwagens bugsieren könnte. Auf der Fahrt zur Wache könnten wir uns beide entspannen, uns gehenlassen, und er könnte mit mir und seinem Partner einen derben Witz teilen – amigos , die ihre gottgewollten Rollen spielten. Tatsächlich aber bin ich für ihn ein Eindringling von draußen, der Typ des hilflosen Bürgers, dem die teuren Boote gehören, die er zu reparieren hat, einer von diesen Ignoranten ohne mechanisches Können, die er wegen der Art und Weise haßt, wie sie mit Besitztümern umgehen, die er sich nicht leisten kann. Ich bin keiner, der üblicherweise zum Essen ins Haus kommt, und es bereitet ihm große Mühe, mir gegenüber Mensch zu bleiben.
    Ich rate ihm – ohne es auszusprechen –, sich möglichst bald an mich und meinesgleichen zu gewöhnen, denn wir sind es ja, an die er früher oder später Strafzettel verteilen wird, gediegene Durchschnittsbürger, deren Gepflogenheiten und Sitten er verspotten und sich damit möglicherweise eine Menge Ärger einhandeln wird. Ich kann ihm in der Tat von Nutzen sein; ich könnte ihm einiges über die Welt

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