Sportreporter
lenken, nun, da alles wieder unter Kontrolle ist. Doch immer, wenn sie zeigen, was auf dem Spielfeld passiert, kommt ein kleiner rotgesichtiger Mann mit Knollennase und in einem grellkarierten Sportjackett ins Bild, fuchtelt empört mit einem kurzen, dicken Arm und ruft einem der New Yorker Spieler ein nicht zu hörendes »Fick dich doch ins Knie« zu. Dieser Mann im karierten Jackett gehört zu meinen Lieblingen. Mutt Greene, Manager des Teams aus Cleveland. Kurz nach meinem Neuanfang als Sportreporter habe ich einmal ein Interview mit ihm gemacht. Zu der Zeit war er noch Coach in Chicago, ist mittlerweile aber auf eigenen Wunsch zum Clubmanager in einer anderen Stadt aufgestiegen, wo er sich vom Leben bestimmt mehr verspricht. Er sagte damals zu mir: »Es überrascht mich immer wieder, Frank, wie fürchterlich dumm die Leute sind.« Das war in dem engen Trainerraum im Untergeschoß der Chicagoer Sporthalle, und er rauchte eine dicke, teure Zigarre. »Ich meine, ist Ihnen eigentlich klar , wie viele Gespräche unter Erwachsenen sich um dieses Scheißthema drehen? Wie oft Tatsachen nur deshalb als Meinungen hingestellt werden, damit sich länger über sie reden läßt? Manche mögen das ja für interessant halten, aber wenn Sie mich fragen, dann ist das so, wie wenn man einen verfluchten Felsklotz aus lauter Begeisterung zu einem ganzen Gebirge hochjubelt. Die Leute schlagen einen Haufen Zeit tot, die sie viel besser nützen könnten. Hier geht’s um ein Spiel. Ansehen und vergessen, kann ich nur sagen.« Danach gerieten wir in eine ziemlich lebhafte Unterhaltung über Grassamen und die schlechten Karten, die derjenige hat, der mit einem hohen Grundwasserspiegel und einer unzureichenden Kanalisation leben muß – nicht mein Problem, aber bei ihm zu Hause in Hilton Head war das wohl der Fall.
Das Interview war, gemessen an der Frage, um die es mir ging – wo liegt für einen kleinen Mann, der einen großen Mann zum direkten Gegenspieler hat, der Schlüssel zum Erfolg? –, nicht sehr ergiebig. Aber ich glaube, es war durchaus informativ, auch wenn ich nicht mit allen seinen Aussagen übereinstimme. Aber ihm machte es einfach Spaß, sich mit einem jungen Sportreporter an einen Tisch zu setzen und Lebenserfahrung zu vermitteln. »Du mußt die Dinge im richtigen Verhältnis sehen und dir redlich Mühe geben«, das war der Rat, mit dem ich an diesem Abend ins Sheraton Commander zurückkehrte. Und danach wendest du dein Interesse einem neuen Grassamen zu oder einer alten Count Basie-Platte, die du eine Weile nicht mehr gehört hast, oder einem Katalog oder einer Bardame – und letzteres habe ich dann auch getan, und ich habe es nicht bereut.
Auf dem Spielfeld werfen sich die Spieler nun mörderische Blicke zu und nutzen lange, knochige Finger zu drohenden Gesten. Besonders die schwarzen Spieler sehen grimmig aus, und die weißen Jungs, blaß und dünnarmig, scheinen sich als Friedensstifter einsetzen zu wollen, während sie in Wirklichkeit nur versuchen, jedem Ärger aus dem Weg zu gehen. Der Trainer, ein untersetzter, sorgenvoll dreinblickender Mann in weißen Hosen, will Mutt Greene durch eine Gasse unter die Tribünen zerren. Aber Mutt ist richtig erbost. Für ihn ist das, was hier abläuft, das wahre Leben. Das ist keine Show. Er sieht die Dinge längst nicht mehr im richtigen Verhältnis und will Krach schlagen, um gegen die Spielweise der Knicks zu protestieren. Er ist von der Tribüne heruntergekommen, um seinen Mann zu stehen, und dafür bewundere ich ihn. Ich bin sicher, das alte Leben fehlt ihm.
Plötzlich zuckt das Bild, und nun steht wieder einer der Todesspringer auf der Klippe und starrt hinunter in sein schäumendes Schicksal. CBS hat aufgegeben.
Elvis Presley kommt wieder zur Küchentür getrottet; er klimpert mit seinem kleinen diamantenen Halsband und hält schnuppernd den Kopf in die Luft. Er weiß nicht recht, was er von mir halten soll, und wer könnte es ihm verargen?
Lynette steht direkt hinter ihm, die Augen funkelnd und wachsam, aber voll guter Laune. »Elvis Presley ist mehr oder weniger der Chef in der Familie.« Sie tippt Elvis Presley behutsam mit dem Zeh an. »Er ist natürlich kastriert, Sie brauchen also nicht um Ihre Hose zu fürchten. Er ist nicht mal ein halber Mann, aber wir lieben ihn wirklich.«
Elvis Presley sitzt in der Tür und starrt mich an.
»Er ist schon was«, sage ich.
»Kommt Ihnen Vicki nicht verändert vor, irgendwie besorgt?« Lynettes Stimme hat jetzt einen
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