Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung
die Entwicklung ihres Kindes zu eher ungünstigen, weniger sprachförderlichen Verhaltensweisen tendieren (Buschmann 2001).
Positiv in Bezug auf die Beratungspraxis zum Thema Mehrsprachigkeit kann festgestellt werden, dass die meisten Kinderärzte bereits routinemäßig die Eltern zum Umgang mit der Mehrsprachigkeit beraten. Dies erfolgt hauptsächlich zum Zeitpunkt der U6 und U7. Der überwiegende Anteil erachtet es dabei als wichtig, dass die Kinder zunächst die Muttersprache erlernen. Als weniger wichtig wird beurteilt, dass mit dem Kind Deutsch gesprochen wird. Zwei Drittel der Kinderärzte raten den Eltern, ihr Kind schnellstmöglich in ein deutschsprachiges Umfeld zu integrieren. Diese Ratschläge an die Eltern können größtenteils als adäquat und förderlich beurteilt werden.
Jedoch wird auch deutlich, dass zumindest teilweise entwicklungshinderliche Ratschläge erteilt werden. Hinzu kommt, dass sich mehr als zwei Drittel der Kinderärzte nicht ausreichend über das Thema Mehrsprachigkeit informiert fühlen. Unterstützt wird dies durch die Tatsache, dass fast alle Kinderärzte einen Beratungsleitfaden für ihre berufliche Praxis als sinnvoll erachten und der überwiegende Teil von ihnen zudem an einer Fortbildung zum Thema teilnehmen würde. An dieser Stelle wird ersichtlich, dass sich die Kinderärzte selbst eine Optimierung ihrer Beratungspraxis wünschen, um auf diese Weise ihren Beitrag für eine erfolgreiche sprachliche Entwicklung mehrsprachiger Kinder (mit Migrationshintergrund) zu leisten und damit den schulischen Werdegang und die gesellschaftliche Integration der Kinder zu verbessern.
Fazit
Die Arbeit der niedergelassenen Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin ist vielseitig und verantwortungsvoll. Aufgrund der in Deutschland gut organisierten, regelmäßigen und kostenlosen kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen können sie eine Schlüsselposition in der Prävention von Sprachauffälligkeiten bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern einnehmen, indem sie die Eltern frühzeitig, beginnend mit der U3, und fortlaufend im Rahmen der U-Untersuchungen zum Umgang mit den verschiedenen Sprachen beraten.
Aktuell fühlen sich die meisten Kinderärzte jedoch unsicher in ihrer Beratungspraxisund wünschen sich mehr Wissen über das Thema Mehrsprachigkeit. Das heißt: Entsprechende Fortbildungsangebote und ansprechende Materialien, die von den Kinderärzten im Rahmen der Elternberatung genutzt werden können, sind nötig.
Ausblick
Zur Optimierung der Beratungspraxis hinsichtlich des Umgangs mit verschiedenen Sprachen im Familienalltag und den Möglichkeiten zur Sprachförderung durch die Eltern wurden von der Arbeitsgruppe Frühe Sprachentwicklung (Buschmann, Jooss, Bockmann, Radtke und Sachse; FRIZ Heidelberg, Uni Hildesheim und ZNL Ulm) praxisnah und forschungsbasiert Merkblätter für die Eltern entwickelt, die sich für den Einsatz bei der U3 bis U9 eignen. Diese Merkblätter sind in zehn verschiedenen Sprachen erhältlich (albanisch, arabisch, englisch, italienisch, kroatisch, polnisch, russisch, serbisch, spanisch und türkisch) und stehen online frei zur Verfügung. Des Weiteren hat die Arbeitsgruppe Bockmann & Buschmann zwei Kurzfortbildungen zum Thema Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Familie entwickelt und erprobt. ELIMAR (Elterninformation zu Mehrsprachigkeit als Ressource) richtet sich gezielt an Familien, in denen Mehrsprachigkeit eine Rolle spielt. IMAR (Information zu Mehrsprachigkeit als Ressource) zielt auf die Fortbildung von Fachkräften u. a. Kinderärzte, Erzieher oder Sprachförderkräfte.
Danksagung
Die Übersetzung der Merkblätter in verschiedene Sprachen wurde von der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e. V. sowie der Günter-Reimann-Dubbers-Stiftung unterstützt. Dafür möchten wir uns ganz herzlich bedanken.
Literatur
Bainski, C. (2008): Nach PISA und IGLU. Anforderungen an Sprachlernkonzepte im Elementar- und Primarbereich. In: C. Röhner (Hrsg.),
Erziehungsziel Mehrsprachigkeit. Diagnose von Sprachentwicklung und Förderung von Deutsch als Zweitsprache
. Weinheim/München: Juventa.
Baumert, J., Klieme, E., Neubrand, M., Prenzel, M., Schiefele, U., Schneider, W., Stanat, P., Tillmann, K.-J. & Weiß, M. (Hrsg.) (2001):
PISA 2000
. Opladen: Leske und Budrich.
Beck, M. (Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen) (2001):
Mehrsprachigkeit in deutschen Schulen
–
ein Länderüberblick.
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