Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung
Davon nutzt die Mehrheit (46,6%) die U7 mit 21 – 24 Monaten, 32,2% die U6 und 13,6% nutzen die erste bei ihnen stattfindende Vorsorgeuntersuchung U3. Inhaltlich ist es für den Großteil der Befragten (65,8%) wichtig, dass das Kind zunächst die Muttersprache lernt. Die meisten erachten es des Weiteren als nicht notwendig, dass Deutsch mit dem Kind gesprochen wird (85,8%), und auch nicht, dass ein Elternteil dies tut (64,7%). 22,1% fordern die Eltern dazu auf, dass wenigstens ein Elternteil Deutsch lernt, und 66,2% sprechen sich für die Integration des Kindes in ein deutschsprachiges Umfeld aus (Tabelle 2).
Sicherheit in der Beratungspraxis zum Thema Mehrsprachigkeit
66,9% der befragten Kinderärzte gaben an, sich nicht ausreichend über das Thema Mehrsprachigkeit informiert zu fühlen. Zudem wünschten sich fast alle (94,9%) zusätzliches Unterstützungsmaterial in Form eines Beratungsleitfadens und 87,7% würden darüber hinaus gerne an einer Fortbildung zum Thema teilnehmen.
Diskussion
Eine Schlüsselqualifikation für die Teilhabe an der Gesellschaft und bestmögliche schulische und berufliche Chancen stellt die gemeinsame deutsche Sprache, d. h. die Sprache der Öffentlichkeit dar (Beck, Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen 2001). Kinder mit Migrationshintergrund, die in der Mehrzahl mindestens zweisprachig aufwachsen, beherrschen die deutsche Spracheaber häufig ungenügend (Reich 2003). Dadurch haben sie einen deutlich erschwerten Zugang zu den in Deutsch vermittelten Bildungsinhalten und schulische Probleme sind die Folge.
Tabelle 2: Beratungspraxis bei Mehrsprachigkeit
Eine frühe, effektive und bedarfsorientierte sprachliche Unterstützung und Förderung mehrsprachiger Kinder ist demzufolge dringend erforderlich, um Defizite in der deutschen Sprache aufzuheben und somit den notwendigenGrundstein für eine erfolgreiche schulische Laufbahn zu legen. Dazu wurde in der vergangenen Zeit vermehrt der Bereich der frühen Bildung genutzt, um die betroffenen Kinder bereits vor dem Schuleintritt sprachlich zu fördern. Zum einen lassen sich damit jedoch nicht die gewünschten Erfolge erzielen (Hofmann et al. 2008) und zum anderen kommt für einen erfolgreichen Erwerb der deutschen Sprache der Erstsprache eine bedeutsame Rolle zu (Wendlandt 2006).
Die regelmäßigen kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen bieten eine einzigartige Möglichkeit zu einer frühen und kontinuierlichen Sprachstandsüberprüfung und Einleitung einer bedarfsorientierten Förderung für die mehrsprachig aufwachsenden Kinder. Zudem bietet sich hier die Chance, die Eltern als primäre Bezugspersonen frühzeitig, niederschwellig und in regelmäßigen Abständen zum Umgang mit den verschiedenen Sprachen in- und außerhalb der Familie zu beraten. Inwiefern Sprachstandserhebungen bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern erfolgen, ob und wie eine Beratung mehrsprachiger Eltern hinsichtlich des Umgangs mit der Mehrsprachigkeit in den Familien in der kinderärztlichen Praxis tatsächlich erfolgt, wurde mit einer bundesweiten Fragebogenstudie im Herbst 2009 erfasst.
Es zeigte sich, dass die Kinderärzte hauptsächlich Elternfragebögen und Screeningverfahren zur Untersuchung der sprachlichen Fähigkeiten bei mehrsprachigen Kindern einsetzen. Diese beschränken sich jedoch nur auf die Untersuchung der sprachlichen Performanz im Deutschen. Die wenigen aktuell zur Verfügung stehenden Instrumente zur Untersuchung anderer Muttersprachen haben (noch) keinen Einzug in die kinderärztliche Praxis gefunden. Zudem verwenden die Kinderärzte z. T. Verfahren, deren messtheoretische Güte nicht ausreichend überprüft wurde und denen keine bzw. keine aktuelle Normierung zu Grunde liegt.
Im Fall einer identifizierten sprachlichen Problematik initiieren die befragten Kinderärzte hauptsächlich Sprachtherapie. Dies geschieht bei etwa zwei Dritteln im Alter von vier Jahren. Eine wirksame Frühintervention bei verzögerter Sprachentwicklung wie beispielsweise die Anleitung der Eltern zu sprachförderlichem Verhalten (z. B. Heidelberger Elterntraining zur frühen Sprachförderung) wird bisher von den wenigsten Kinderärzten empfohlen. Diese Tatsache ist ernüchternd, wenn man bedenkt, dass die Eltern eines sprachverzögerten Kindes aufgrund ihrer Rolle als wichtigste Bezugspersonen des jungen Kindeseinerseits einen großen Einfluss auf die Sprachentwicklung ihres Kindes haben und andererseits aber aufgrund der Verunsicherung und der Sorge um
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