Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung
al. 2003).
Schlussfolgerungen für die Praxis
Für die Praxis ist entscheidend, welche Prädiktoren den weiteren Verlauf der Sprachentwicklung bei Late Talkers mit möglichst hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen können. Die vorliegende Studie hat verschiedene Variablen untersucht und ihre Vorhersagekraft bei zweijährigen Late Talkers überprüft. Mit der Klassifikationsanalyse konnten wir entscheidende Prädiktoren finden und sogenannt kritische Werte ermitteln. Das Kombinieren von Prädiktoren und das Berücksichtigen der kritischen Werte erhöhen die Verlässlichkeit der Vorhersage. Zu bedenken ist, dass die Ergebnisse auf Berechnungen der Wahrscheinlichkeit beruhen. Diese ermöglichen Aussagen darüber, in welchem Ausmaß bei Late Talkers die Wahrscheinlichkeit für eine spezifische Spracherwerbsstörung erhöht ist. Im Einzelfall sind ganz sichere Vorhersagen jedoch nicht möglich. Für die Praxis liegen dennoch bessere Entscheidungsgrundlagen als bis anhin vor. Die gefundenen Prädiktoren und die kritischen Werte erlauben uns, Late Talkers, die eine Spracherwerbsstörung ausbilden, im Alter von 2;3 und 2;6 Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zu identifizieren.
In der Praxis können der sozioökonomische Status und die Wortproduktion im Alter von 2 bzw. 2;3 Jahren aufgrund von Elternangaben relativ einfach erhoben werden. Auch das Konsonanteninventar kann im Alter von 2;6 Jahren ohne großen Aufwand erfasst werden. Das Wortverständnis muss im Alter von 2 bzw. 2;6 Jahren unbedingt mit einem standardisierten Test überprüft werden.Die Aussagen der Eltern zum Sprachverständnis haben sich in unserer Studie als zu wenig valid erwiesen. Dies stimmt auch mit unseren Erfahrungen in der Praxis überein. Bei Kindern mit Störungen im Sprachverständnis empfiehlt es sich, auch die Spielentwicklung und die nonverbale kognitive Entwicklung abzuklären. Die Late Talker-Studie von Miniscalco et al. (2007) und die Untersuchungen von Grimm (2000, 2003) sowie Grimm und Doil (2006) bestätigten, dass Sprachverständnisstörungen oftmals mit kognitiven Entwicklungsverzögerungen einhergehen.
Angesichts der Tatsache, dass eine Spracherwerbsstörung weitere Entwicklungsbereiche negativ beeinflussen kann, wenn sie über längere Zeit persistiert, ist eine möglichst frühe Identifikation von Kindern mit Spracherwerbsstörungen notwendig. Daher sollten die neuen Möglichkeiten zur Prädiktion von Spracherwerbsstörungen bei Late Talkers im Alter von 2 bzw. 2;3 Jahren und im Alter von 2;6 Jahren genutzt werden. So kann bei Late Talkers, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Spracherwerbsstörung ausbilden, bereits in diesem Alter mit einer Intervention begonnen werden. Ob in Form von Sprachtherapie oder Elternanleitung, muss im Einzelfall geklärt werden.
Mit einer frühen Erfassung und Intervention erhöhen sich für diese kleinen Kinder die Chancen, dass sich ihre Spracherwerbsstörung zurückbildet und ihre soziale, emotionale und kognitive Entwicklung positiv verläuft.
Danksagung: Wir danken allen Kindern und Eltern, die an der Studie teilgenommen haben. Im Weiteren bedanken wir uns bei allen, die an der Studie mitgewirkt haben: insbesondere bei den zuweisenden Kinderärzten und Fachpersonen, Sandra Kalbassi, Susanna Züllig, Regula Stoppini, Barbara Meyer, Luciano Molinari, Rainer Truninger und Remo Largo. Die Studie wurde ermöglicht durch die Unterstützung von der Stiftung für Kind, Eltern und Entwicklung.
Literatur
AWMF Leitlinien (2011): Langfassung der Leitlinie Sprachentwicklungsstörungen (SES), Diagnostik von, unter Berücksichtigung umschriebener Sprachentwicklungsstörungen (USES). Registernummer 049 – 006. Klassifikation S2k. http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/049 – 006.html. [Download 20. 12. 2011]
Beitchman, J. H. & Brownlie, E. (2010): Language development and its impact on children’spsychosocial and emotional development. In: R. E. Tremblay, R. G. Barr & R. Peters (Hrsg.),
Encyclopedia on Early Childhood Development
[online]. Montreal, Quebec: Centre of Excellence for Early Childhood Development, 1 – 8. http://www .child-encyclopedia.com/documents/Beitchman-BrownlieANGxp_rev.pdf. [Download 14. 4. 2010].
Bishop, D. V. M., Price, T. S., Dale, P. S. & Plomin, R. (2003): Outcomes of early language delay: II. Etiology of transient and persistent language difficulties. In:
Journal of Speech, Language, and Hearing Research, 46
, 561 – 575.
Buschmann, A. (2009): Heidelberger Elternanleitung
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