Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung
Prädiktoren als aussagekräftig:
Wortverständnis (SETK-2)
sozioökonomischer Status
Wortproduktion mit 2;3 Jahren (ELFRA-2)
Bei einem Wortverständnis von weniger als fünf Wörtern im Alter von 2;0 Jahren, einem sehr tiefen sozioökonomischen Status (unterstes Drittel) und einer Wortproduktion von weniger als 110 Wörtern (ELFRA-2) im Alter von 2;3 Jahren kann mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass diese Late Talkers bis ins Alter von drei Jahren eine Spracherwerbsstörung ausbilden. Anhand dieser Kriterien konnten in unserer Studie 90% der zweijährigen Late Talkers, die eine Spracherwerbsstörung ausgebildet hatten, richtig klassifiziert werden. Mit 2;6 Jahren erwies sich das Kombinieren der folgenden drei Prädiktoren als vielversprechend für die Vorhersage des Verlaufs der Sprachentwicklung bis ins Alter von drei Jahren:
Wortverständnis (SETK-2)
Wortproduktion (SETK-2)
Anzahl Konsonanten
Bei einem Wortverständnis von weniger als 8 Wörtern, einer Wortproduktion von weniger als 20 Wörtern (SETK-2) und einem Konsonanteninventar von weniger als 16 ist die Wahrscheinlichkeit wiederum sehr hoch, dass sich bis ins Alter von drei Jahren eine Spracherwerbsstörung entwickelt. Anhand der genanntendrei Kriterien konnten in unserer Studie wiederum 90% der zweieinhalbjährigen Late Talkers, die eine Spracherwerbsstörung ausbildeten, korrekt vorhergesagt werden. Zu bedenken ist, dass die nonverbale Kognition der Late Talkers im Normbereich (SON-R ≥ 85) lag und ihre Symbolspiel- sowie Kommunikationsentwicklung weitgehend altersentsprechend war.
Diskussion
Bei kleinen Kindern verläuft die Sprachentwicklung zu Beginn sehr variabel. Im Alter von zwei Jahren kann eine Verzögerung im Wortschatzerwerb als Risiko für eine Spracherwerbsstörung angesehen werden. Solche Kinder, die mit zwei Jahren weniger als 50 Wörter sprechen und keine Zweiwortäußerungen bilden, werden als Late Talkers bezeichnet. Nach dieser Definition sind 15% der zweijährigen Kinder Late Talkers. Die Verzögerung im Alter von zwei Jahren ist nicht für alle Late Talkers gleich bedeutsam, da die Entwicklungsverläufe sehr unterschiedlich sind. In unserer Studie haben sich zwei Fünftel der Late Talkers bis ins Alter von drei Jahren zu Late Bloomers entwickelt. Weitere zwei Fünftel haben eine spezifische Spracherwerbsstörung ausgebildet und ein Fünftel Sprachauffälligkeiten. Die aufgezeichneten Entwicklungsverläufe sind repräsentativ für Late Talkers mit nonverbalen kognitiven Fähigkeiten im Normbereich. Wie die Entwicklung bei Late Talkers mit kognitiven Entwicklungsverzögerungen, Behinderungen oder bei Mehrsprachigkeit verläuft, kann anhand unserer Daten nicht vorhergesagt werden. Wir haben solche Kinder nicht in unsere Studie aufgenommen und können daher keine Aussagen dazu machen. Im Gegensatz zu anderen Studien haben wir nicht nur Late Talkers mit expressiven Verzögerungen untersucht, sondern auch solche mit rezeptiv-expressiven Verzögerungen.
In unserer Längsschnittstudie konnten wir bei Late Talkers verschiedene Variablen identifizieren, die sich als aussagekräftig für den weiteren Verlauf der Sprachentwicklung zeigten. Das Wortverständnis, die Wortproduktion, der sozioökonomische Status sowie das Konsonanteninventar erwiesen sich in unserer Studie als bedeutsame Prädiktoren für die Sprachentwicklung im dritten Lebensjahr. Die Fähigkeiten im Wortverständnis waren ausschlaggebend für den Verlauf der weiteren sprachlichen Entwicklung. Auch in der Studie von Sachse (2007) und Thal et al. (1991, 2004) war das Wortverständnis prädiktiv.In anderen Studien, beispielsweise in den Studien von Rescorla und Alley (2001) oder Paul (2001), konnte das Sprachverständnis jedoch nicht als Prädiktor erhärtet werden. Auch bei der Wortproduktion ist die Studienlage nicht einheitlich. Der Vorhersagewert des Wortschatzes konnte in unserer und in mehreren anderen Studien bestätigt werden (Rescorla et al. 2000, Dale et al. 2003, Westerlund et al. 2006). In der Studie von Sachse (2007) hingegen war die Wortproduktion nicht prädiktiv. Der sozioökonomische Status bzw. der damit einhergehende Bildungsstand der Mutter ist in verschiedenen anderen Studien ebenfalls als Prädiktor bestätigt worden (Dale et al. 2003, Sachse 2007, Reilly et al. 2010). Auch das Konsonanteninventar ist in unserer und in einigen weiteren Studien untersucht und als Prädiktor identifiziert worden (Paul & Jennings 1992, Carson et
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