Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung
Indikationsstellung sollen an einem konkreten Fallbeispiel erläutert werden. In der sozialpädiatrischen Sprachstunde wird ein Kind im Alter von 2;10 Jahren vorgestellt, das einen erheblichen Sprachentwicklungsrückstand aufweist. Die Mutter berichtet von einem regelrechten Verlauf der frühkindlichen motorischen Entwicklung, das freie Laufen wurde mit 15 Monaten erreicht. Das Kind zeige sich im Alltag bewegungsfreudig und motorisch geschickt, es agiere im Spiel mit großem feinmotorischem Geschick.
Die Familie berichtet von einer frühen Phase intensiven Lautierens und Experimentierens mit Silbenverdopplungen ab einem Alter von 8 Monaten. Nach wenigen Monaten habe die Sprachentwicklung jedoch stagniert. Erst in den letzten Monaten ab einem Alter von 2½ Jahren habe sich das Kind wieder vermehrt mit der Sprache befasst. Der Junge lautiere in seiner eigenen Sprache, setze Silbenverdopplungen ein und imitiere vereinzelt Worte der Erwachsenen, die er aber anschließend nicht mehr wiederhole oder aufgreife.
Der Junge zeige Ansätze zu instrumenteller Kommunikation, ziehe also etwa den Erwachsenen an der Hand, um ihm etwas deutlich zu machen oder zu einer Handlung aufzufordern. Die Eltern berichten von ersten Ansätzen zu kommunikativem Zeigen und dem beginnenden Nachahmen von symbolischen Spielhandlungen etwa beim Füttern einer Puppe. Der Blickkontakt sei stark von den Interessen des Kindes abhängig.
Die eingehende Entwicklungsuntersuchung des Kindes ergibt – bei altersgerechten Kompetenzen auf der motorischen und kognitiven Ebene – deutliche Entwicklungsrückstände im Sprachverständnis mit einem Entwicklungsstand von 12 Monaten (z. B. beginnendes Zeigen von Körperteilen), die aktive Sprache umfasst erste sinnbezogene Worte und ist ebenfalls einem Entwicklungstand von knapp über einem Jahr zuzuordnen. Die Eigenheiten im kommunikativen und sozialen Verhalten lassen an eine autistische Spektrums-Störung denken, parallel stellt sich die Frage einer ausgeprägten rezeptiven Sprachentwicklungsstörung. Der Entwicklungsverlauf ist von einer zweisprachigen Umgebung beeinflusst, obwohl die Eltern betonen sich auf die eigene Muttersprache zu konzentrieren.
Anhand eines Entwicklungsprofils wird das Entwicklungsbild des Kindes verdeutlicht. Dabei wird besonders deutlich, dass sich im Entwicklungsverlauf eines Kindes mit einer Sprachentwicklungsstörung Phasen stagnierender Entwicklung zeigen, so dass die Eltern den Eindruck haben, als machte das Kind über mehrere Monate keine Fortschritte im Sprachverständnis, in der symbolischen Entwicklung oder in der aktiven Sprache. Über diese qualitativ variablen zeitlichen Verläufe wissen wir noch wenig systematisch, da wir die individuellen Entwicklungsabschnitte nur unvollständig abbilden können.
Dieser variable Entwicklungsverlauf macht auch die Definition der Behandlungsziele oft schwierig, genauso wie die Frage, welche Behandlungsmethode im Augenblick am wirkungsvollsten sein könnte. Sollen wir nun an den basalen kommunikativen Fähigkeiten des Kindes, also am Blickkontakt, der sozialen Kommunikation und dem Imitationsverhalten arbeiten? Oder aber ist es sinnvoll, sich auf die Ebenen des Sprachverständnisses zu konzentrieren und dem Kind auf dieser Ebene in ritualisierten und sich stets in gleicher Weise wiederholenden Handlungen ein besseres Wortverständnis zu vermitteln? Oder ist es sinnvoll, sich auf die Stärken des Kindes auf der kognitiven Ebene zu besinnen und auf dieser Ebene die Förderschwerpunkte zu verfolgen?
Stufenmodell der frühen Kommunikationsentwicklung
Im Rahmen der folgenden Darstellung wird anhand des Stufenmodells der frühen Kommunikation erläutert, auf welche Entwicklungsmerkmale wir besonders achten, welche kritischen Merkmale der Früherkennung im Vordergrund stehen und welche Behandlungsstrategien in der Förderung der betroffenen Kinder eine Rolle spielen. Wir konzentrieren uns dabei in der Darstellung auf die frühe soziale und kommunikative Entwicklung in den ersten beiden Lebensjahren.
Wir greifen dabei Kommunikationsmodelle auf, die McDonald & Gilette (1982), MacDonald & Carroll (1992), Sugarman (1984) und Prizant et al. (1990, 1996) systematisch ausgearbeitet haben. Anschauliche Beispiele sollen belegen, wie das Kind in Alltagssituationen gefördert werden kann und wie die Eltern auf der kommunikativen Ebene dem Kind einen günstigen Rahmen für den Spracherwerb geben können.
Stufenmodelle der frühen Kommunikation (nach
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