Sprachlügen: Unworte und Neusprech von »Atomruine« bis »zeitnah« (German Edition)
, ein Euphemismus für Folter, suggeriert sogar, dass es unterschiedliche Methoden gibt, die mehr oder weniger umstritten sind. Dabei verstößt Folter immer gegen die Menschenrechte, taugt nicht für Verhöre und dient nur dazu, Angst und Schrecken zu verbreiten.
Bejahende Verneinung
Im allgemeinen Sprachverständnis wird eine doppelte Verneinung gern als Bejahung übersetzt. Doch die Wirklichkeit ist komplexer. Nicht immer ergeben zwei Nein ein Ja. In diese Falle geraten gelegentlich auch die Nutzer solcher Sprachtricks, was sie anschaulich entlarvt. So sagte der schon zitierte adlige Verteidigungsminister, der im Zusammenhang mit seiner Doktorarbeit den einen oder anderen wichtigen Punkt unerwähnt gelassen hatte:
»Es wurde allerdings zu keinem Zeitpunkt bewusst getäuscht oder bewusst die Urheberschaft nicht kenntlich gemacht.«
Der Sprecher will ausdrücken, dass die Urheberschaft immer kenntlich gemacht wurde. Das aber tut er nicht, denn die beiden Verneinungen kein und nicht heben sich in diesem Fall nicht gegenseitig auf. Die erste bezieht sich auf das adverbial verwendete Adjektiv »bewusst«. Das Adjektiv lässt sich aber nicht so einfach verneinen, denn täuschen kann man nun einmal nur bewusst. Wer unbewusst täuscht, hat keine Täuschung begangen, sondern etwas nicht bemerkt. Genauso unmöglich ist es, etwas unbewusst nicht kenntlich zu machen.
Beide Verneinungsversuche deuten somit darauf hin, dass der Sprecher die im Satz enthaltene Aussage leugnet. Was gut die eigentliche Funktion der doppelten Verneinung demonstriert: Sie soll verschleiern, dass der Sprecher eine Behauptung bejaht.
Das hat zum Beispiel ein Politiker der Grünen versucht und seine Billigung eines kritisierten Vertrages mit dem seltsamen Satz ausgedrückt:
»Ich sehe nicht, dass wir nicht zustimmen werden.«
Das ist so verbogen, dass es einem fast leidtun kann.
Scheinargumente
Schließlich gibt es in der Sprache der Politik auch noch die Scheinargumente. Wenn diese in einer Debatte auftauchen, ist das ein sicheres Zeichen, dass dem Betreffenden die inhaltlichen Argumente ausgegangen sind. Das scheint oft der Fall zu sein, immerhin gibt es von den Scheinargumenten gleich drei Kategorien.
Das Argumentum ad hominem (lateinisch: »Argument zum Menschen«): Wem nichts mehr einfällt, der kann seinen Gegner persönlich angreifen oder negativ darstellen. Ja selbst eine positive Darstellung einer Person kann ein Argumentum ad hominem sein, wenn sie dazu dient, von der Sache abzulenken, beispielsweise mit dem Mittel der Ironie. Ein schönes Beispiel für eine schmähende Argumentation liefert Hans-Peter Uhl. Als Erwiderung auf die Kritik an der Bundesregierung bezüglich des Staatstrojaners hält er seinem Vorredner von der Linkspartei entgegen:
»Niemand kann besser über einen Überwachungsstaat reden wie ein Angehöriger der Linkspartei. Sie wissen, wovon Sie reden. Der Kollege Korte ist a bisserl jung dazu, aber er hat gelernt von den Alten.«
Was der historische Ursprung der Linkspartei mit der Person Korte und was das alles mit dem sogenannten Staatstrojaner zu tun hat, der dazu dient, die Computer von Verdächtigen auszuspähen, lässt der Bundestagsabgeordnete Uhl wohlweislich offen.
Statt zu schmähen, was immer ein wenig kleinkariert wirkt, kann als Ablenkungsmanöver auch das Argumentum ad verecundiam (lateinisch: »Argument zur Ehrerbietung«) dienen: Hierbei wird nicht der Kritiker selbst angegriffen, sondern auf eine wie auch immer geartete Autorität verwiesen, die die gleiche Position vertritt wie der Sprecher (»Ich weiß es nicht besser, aber die anderen wissen es.«). Die eigene Position soll also deshalb richtig sein, weil sie auch von einem → Experten vertreten wird. So verwies der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble im Zusammenhang mit der Online-Durchsuchung gern auf Jörg Ziercke, den Präsidenten des Bundeskriminalamtes, der aufgrund seiner Rhetorik hier schon mehrfach vorkam.
Wird dabei vor allem auf das eigene Unwissen verwiesen, steht dieses Scheinargument im Zusammenhang mit dem Argumentum ad ignorantiam (lateinisch: »Argument zum Unwissen«) und damit dem dritten der Scheinargumente: Statt zu argumentieren, verweist der Sprecher auf seine eigene Ahnungslosigkeit oder, weil das dann doch immer etwas komisch wirkt, auf die Ahnungslosigkeit des Gegners. Auch Mischungen sind üblich, nach dem Muster: »Ich weiß es nicht, der politische Gegner weiß es nicht, aber die Experten wissen es.« Das
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