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Sprachlügen: Unworte und Neusprech von »Atomruine« bis »zeitnah« (German Edition)

Sprachlügen: Unworte und Neusprech von »Atomruine« bis »zeitnah« (German Edition)

Titel: Sprachlügen: Unworte und Neusprech von »Atomruine« bis »zeitnah« (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Biermann , Martin Haase
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Aufforderung, und sie gab es auch nicht. Meine von mir verfasste Dissertation ist kein Plagiat, und den Vorwurf weise ich mit allem Nachdruck von mir. Sie ist über etwa sieben Jahre neben meiner Berufs- und Abgeordnetentätigkeit als junger Familienvater in mühevollster Kleinarbeit entstanden, und sie enthält fraglos Fehler. Und über jeden einzelnen dieser Fehler bin ich selbst am unglücklichsten. Es wurde allerdings zu keinem Zeitpunkt bewusst getäuscht oder bewusst die Urheberschaft nicht kenntlich gemacht. […]«
    Es war also zu Guttenbergs Doktorarbeit, um die es geht, so viel immerhin gibt er zu. Allerdings nutzt er dazu die auffällige Partizip-Passiv-Konstruktion »meine von mir verfasste Dissertation«. Die enthält eine Doppelung und das wohl mit Absicht: Die Aussage »meine Dissertation« könnte durchaus noch den Schluss zulassen, dass zu Guttenberg sie zwar als seine betrachtet, da sein Name darüber steht, dass sie aber von jemand anderem verfasst wurde. Das Gerücht immerhin gab es. Das aber will er offensichtlich ausräumen beziehungsweise sich nicht alles nehmen lassen. Die Wortwahl »die von mir verfasste Dissertation« hätte bereits klar gemacht, dass er sie selbst geschrieben hat. Er jedoch betont diese Behauptung durch das meine . Wenigstens diese Urheberschaft also will er sich anrechnen lassen.
    Doch möchte er gleichzeitig auf keinen Fall sagen, wer derjenige ist, der bei dieser Doktorarbeit getäuscht oder vergessen hat, die Urheberschaft der plagiierten Texte kenntlich zu machen. Also nutzt er einen Passivsatz und lässt die handelnde Person einfach weg.
    Allerdings macht zu Guttenberg einen Fehler. Denn die unpassende Wiederholung des Adverbs bewusst ist auffällig. Er will nahelegen, dass – wenn denn irgendjemand einen Fehler gemacht haben sollte – es ein Versehen war: »bewusst getäuscht«, »bewusst die Unwahrheit gesagt«. Das aber wirft sofort die Frage auf, wie denn bitte eine unbewusste Täuschung funktionieren kann, denn unbeabsichtigt wäre sie gar keine Täuschung mehr, sondern nur noch ein Irrtum. Die übermäßige Betonung macht seine Aussage also unglaubwürdig, statt sie zu verstärken.
    Solche Passiv-Konstruktionen gibt es in zu Guttenbergs Äußerungen jede Menge, nachzulesen auch in seinem in Buchform erschienenen Interview »Vorerst gescheitert«. Da zu Guttenberg sich dieses Kniffes ausführlich bedient, kann durchaus von einem Guttenberg-Passiv gesprochen werden.
    Ein weiterer Meister in der Verwendung dieses Tricks ist Kai Diekmann, seines Zeichens Chefredakteur von »Bild«. Das Blatt und seine Methoden sind ja nicht unumstritten, wie der »Bildblog« täglich belegt. Diekmann ist stets einer der Ersten, der zugibt, dass Fehler gemacht werden. Allerdings gibt er das nur mit einer ganz bestimmten Formulierung zu. Zitat:
»Wo gearbeitet wird, werden Fehler gemacht.«
    Den Satz sagt er seit vielen Jahren jedes Mal, wenn er gefragt wird, ob es bei »Bild« Methoden oder Geschichten oder Entscheidungen gibt, die vielleicht nicht so ganz sauber waren. Das klingt wie ein Eingeständnis und das soll es auch. Wer da allerdings wo gearbeitet und wer vielleicht welchen Fehler gemacht und beispielsweise Persönlichkeitsrechte verletzt hat, erfährt man von Diekmann nie.

Die von der Leyen-Leiter: Blödsinn hochjubeln
    Politische Reden sollen Wirkung erzielen. Drastische Worte, so die Hoffnung, erzielen eine starke Wirkung. Daher wird in der politischen Sprache gern übertrieben. Solche rhetorischen Übertreibungen heißen Hyperbeln und werden oft in Form einer allmählichen Steigerung verwendet, vom harmlosen Klaps bis hin zur donnernden Keule. Das wirkt dramatischer. Diese Redefigur heißt Klimax, griechisch für »Leiter«. Ursula von der Leyen greift gern auf klimatische Konstruktionen zurück, zum Beispiel in dieser Rede hier 2009 vor der evangelischen Akademie Tutzing:
»Das heißt – um nicht die ganze Diskussion jetzt aufzumachen –, wir setzen uns zusammen, diejenigen, die in Deutschland verantwortlich sind, und ringen darum, diese Dinge aus dem Netz zu verbannen. Wir ringen darum, international die Täter zu stellen, die Quellen zu schließen. Aber auch hier zu sagen: Wir führen ein Stoppschild bei diesen [unverständlich], bei diesen Bildern von Deutschland aus ein, weil wir auch als Gesellschaft sagen wollen: Wir ächten dieses.«
    Zur Verdeutlichung hier nur die klimatischen Elemente dieser Sätze:
»Wir setzen uns zusammen, wir ringen darum, …

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