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Sprechende Maenner

Sprechende Maenner

Titel: Sprechende Maenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxim Leo , Jochen-Martin Gutsch
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Frei-Öl tropften, und dann fing die La-Li-Lu-Uhr an zu bimmeln, und als ich kurz die Augen schloss, sah ich dich, Maxim, auf einem riesigen Mutterbauch sitzen, einem Mutterbauchberg, die Arme bis zu den Ellenbogen in Frei-Öl und ständig brüllst du mir zu: »Wir brauchen mehr Frei-Öl hier oben, wo bleibt das verdammte Frei-Öl für Schnützelchen?!!«
    F rauen verzeihe ich fast alles, sie sind im schwangeren Zustand weitgehend unzurechnungsfähig. Der Mann aber muss die Stimme der Vernunft und der Mäßigung sein in dieser schweren Zeit. Er ist verantwortlich für eine erträgliche Außendarstellung. Er ist das Gegengewicht. Er muss sagen: »Ich freue mich über deinen Kugelbauch, echt, aber wir sollten jetzt nichts tun, was wir später schwer bereuen.« Das hast du offensichtlich nicht gemacht, Maxim. Du warst nicht Gegengewicht, du warst Komplize.
    Ich habe von all diesen Dingen natürlich keine Ahnung. Ich spreche über Schwangerschaft und Geburt wie ein Westler vom Osten. Ich kann nicht ausschließen, dass ich selbst eines Tages ähnlich wahnsinnig werde wie du.
    Mein Vater hat drei Kinder bekommen. Bei keiner Geburt war er dabei. Es war nicht üblich damals. Die Männer saßen vor dem Kreißsaal mit einem Strauß Blumen in der Hand und einer Tüte Frischobst. Ich habe meine Mutter mal gefragt, ob sie sich gewünscht hätte, mein Vater wäre dabei gewesen.
    Sie sah mich an und sagte: »Um Gottes willen. Dein Vater ist Zahnarzt, kein Gynäkologe. Was soll er da? Ich hab bei der Geburt genug zu tun, da kann ich mich nicht noch um deinen Vater kümmern.«
    Das fand ich plausibel.
    Ich glaube nur, wenn ich heute sage: Ich bin bei der Geburt meines Kindes nicht dabei, würde ich es vermutlich in die Zeitung schaffen.
    Woher kommt dieser Kinderkult? Dieses religiös Andächtige. Warum kann man nicht einfach Kinder bekommen, und that’s it ?
    re:
    Lieber kinderloser Freund, ich glaube, die treibende Kraft in diesem ganzen Geburtstaumel war ich. Ich war begeistert, hingerissen, wahnsinnig. Irgendwie muss man das auch sein. Ich möchte nicht das ganze Leben nur distanziert und ironisch sein und Angst haben, ich könnte auf andere peinlich wirken. Klar war es übertrieben, aber es war schön. Es war ein Initiationsritus, ein Tanz ums eigene Seelenfeuer. Die Wertigkeiten verschieben sich, die Gefühle werden groß und prall wie nie. Ich habe nach langer Zeit mal wieder geweint. Ich hatte zum ersten Mal Vatergefühle, eine Mischung aus Stolz, Stärke und Zärtlichkeit. Ein Bedürfnis, die Familie zu beschützen, da zu sein, Wache zu stehen. Das alles klingt pathetisch, aber das ist mir egal. Ich glaube, ein Mann ver passt viel, wenn er das nicht erlebt. Er bleibt unreif, auch ein bisschen leer.
    aw:
    Lieber reifer Mann, du sprichst wie ein Obstbauer. Ich bin in deinen Augen eine kleine, harte, unreife Birne, weil ich meine Hormondüngung noch nicht bekommen habe. Aber erinnerst du dich an unsere Männlichkeitsdebatte vor einigen Wochen? Du schriebst von Clint Eastwood, den Faustschlägen deines Vaters und wie du einen Baum mit einer Axt gefällt hast. Das waren deine Männlichkeitsbilder, die du so vehement verteidigt hast gegenüber meiner schlappen Männlichkeitsskepsis. Und jetzt?
    Schreibst du von Frei-Öl, deinen Tränen und dem »Tanz ums Seelenfeuer«.
    Ich glaube, es ist doch so, Maxim: Den »schwangeren« Mann gab es vor einigen Jahrzehnten noch gar nicht. Unsere Väter waren nicht schwanger. Aber haben sie uns deshalb weniger geliebt, die Geburt weniger sehnsüchtig erwartet?
    Eine Geburt war früher etwas Selbstverständliches. Heute ist es ein Wunder. Ein Kind zu bekommen war früher normal, natürlich. Deshalb waren auch die Männer normal und natürlich. Für unsere Väter waren Kinder kleine Scheißer, mit denen man später zum Fußball gehen kann. Oder Angeln.
    Heute sind Kinder oft Statussymbole. Sie sind Teil des Selbstverwirklichungsprogramms ihrer Eltern. Früher wurde ein Kind geboren, heute ein Projekt.
    Vielleicht, Maxim, verhältst du dich deshalb so seltsam.
    So anders als mein Vater.
    re:
    Und Catherine so anders als meine Mutter. Die war 19, als sie mich bekam. Catherine war 30, als Anais geboren wurde.
    Späte Mütter neigen vermutlich zum Kinderkult. Sie unterbrechen Karrieren und nehmen körperliche Risiken in Kauf. Dafür

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