Sprechende Maenner
alt und seit 1954 verheiratet. Fuchsberger sagte, 1954 hätten viele Paare um ihn herum geheiratet, aber er und seine Frau seien heute das einzige Paar, das noch zusammen ist. Alle anderen sind geschieden.
Fuchsberger wurde gefragt, wie er das geschafft habe. Er sagte: »Die vier groÃen V : Verstehen, Vertrauen, Verzeihen, Verzichten.« Fuchsber ger sagte nicht: guter Sex, Fernreisen, Geld, Abwechslung. Sondern verzichten.
Vielleicht geht es also nur so.
re:
Lieber Jochen, Verzicht ist in der Liebe leider wichtig. Dabei lernen wir sonst nur, wie man nicht verzichtet. Wie man immer mehr bekommt. Unser ganzes Leben, unsere ganze Gesellschaft ist auf Zugewinn ausgerichtet, auf Gier. Alles muss mehr werden, besser werden, schneller werden. Es ist fast ein Versprechen, ein Traum: Du musst heute auf nichts mehr verzichten!
Womöglich fällt uns deshalb die Liebe so schwer. Sie braucht den Verzicht, die Selbstbeschränkung, etwas Ich-Aufgabe â aber wir ha ben schon verlernt, wie das geht. Verzichten ist ein altes, prüdes Wort geworden.
aw:
Lieber Maxim, ich telefonierte gestern mit einem Freund und erzählte ihm die Trennungsgeschichte von Robert. Der Freund lebt allein, er hörte eine Weile zu und sagte: »So endet es doch immer. Wenn ich mir das alles anschaue, dann habe ich das Gefühl, wir haben nicht viel falsch gemacht, Jochen.«
Ich kenne dieses Gefühl und den Gedanken: Hat ja alles keinen Sinn. Am Ende wird alles schal. Aber was ist die Alternative? Will ich keine Beziehung haben, weil die Beziehung enden könnte?
Das Ende gehört zur Liebe, oder? So wie der Schmerz, die Enttäuschung. Entweder man spielt mit, oder man lässt die Finger von der Liebe. Man sollte keine Fairness erwarten oder Regeln. Liebe funktioniert ohne Regeln.
Ich nehme Paare anders wahr als du, Maxim. Du schreibst, dass getrennte Paare bei dir sofort die Frage auslösen: Kann mir das auch passieren? Bei dir springt sofort der Angstdetektor an.
Für mich sind Paare ein Blick in die Zukunft. Ich kann sie mir anschauen und denken: So leben also Paare. So sehen Beziehungen aus. Und ich kann zugleich für mich die Frage klären: Will ich das auch?
Meine Paarsehnsucht hat mit den Jahren nachgelassen. Ich merke, dass ich mich davor schützen muss, zu sagen: Das ist auch besser so, viel besser. Ich möchte nicht fatalistisch werden. Aber ich weià auch, dass ich nicht mit jemandem zusammen sein muss, um mich gut zu fühlen.
Das ist eine befreiende Erkenntnis.
Ich schätze, der vierzigjährige deutsche Mann in einer langjährigen Beziehung neigt zur Genügsamkeit, Maxim. Vielleicht neigen Männer überhaupt zur Genügsamkeit in Beziehungen. Sie verdrängen, vergessen, sie sitzen im Alltag wie in einem Liegestuhl. Wenn eine Frau sagt: Ich glaube, es läuft bei uns gerade nicht so gut, empfinden sie das nicht als Aufforderung, etwas zu tun, als gemeinsame Aufgabe. Sondern als Kritik, Nörgelei, Kränkung. Sie sagen: Was ist denn das konkrete Problem? Und die Frau sagt: Na ja, alles.
Der vierzigjährige Mann, Maxim, ist in einem beschissenen Lebens alter. Nicht mehr ganz frisch, aber noch nicht so gelassen wie ein Fünfzigjähriger, so entspannt wie ein Sechzigjähriger oder so weise wie ein Siebzigjähriger. Ein vierzigjähriger Mann kann oft nur eines: viel verlieren.
Tag 31
An dem es zu einem Streit darüber kommt, ob eine Beziehung zwangsläufig langweilig wird, wenn sie länger als zehn Jahre dauert
Lieber Jochen, was macht dir eigentlich am meisten Angst, wenn du uns Paare beobachtest? Vielleicht hast du auch gar keine Angst. Aber du klingst so â¦
aw:
Kennst du diesen Satz: »Wenn das Haus fertig ist, kommt der Tod«?
Klingt ein bisschen düster, aber ich will dir das erklären.
Mit vierzig sind viele Dinge gezeugt, angeschafft, gekauft. Man hat sich »etwas aufgebaut«. Darauf hat man ja all die Jahre auch hingearbeitet. Jetzt geht man in die Verwaltungsphase über. Die Frage ist, was kommt jetzt eigentlich noch?
Vor dieser Frage habe ich mich immer gefürchtet. Auch wenn sie mich gar nicht betrifft. Man stellt sich die Frage ja erst, wenn etwas fertig ist, wenn der eigene Lebensentwurf eine gewisse Festigkeit erlangt hat. Mit Frau, Kindern, Beruf, Haus, Hund, Zeitungsabonnement.
Davor bin ich weggerannt. Alles sollte im Fluss sein, provisorisch, mein Leben wie ein Zelt, das ich schnell abbauen konnte, wenn
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