Sprengkraft
Kalenders, dass seine Verfügbarkeit kein Problem darstellte.
»Im Erfolgsfall könnte aus dem Projekt eine längerfristige Aufgabe entstehen«, sagte der Unternehmer. »Falls Sie interessiert sind und die Chemie stimmt.«
»Was heißt das konkret?«
»Kennen Sie das Sheraton am Düsseldorfer Flughafen? In zwei Stunden im Restaurant? Tut mir leid, dass ich Sie so kurzfristig überfalle, aber zu diesem Meeting kommen Leute aus dem ganzen Bundesgebiet und die Planung war nicht einfach.«
Für die kommenden drei Monate – die Miete seiner Wohnung wäre vorerst gesichert.
Dass ich Sie so kurzfristig überfalle – Moritz ahnte, dass er nicht Bucerius’ erste Wahl war. Jemand war abgesprungen und der Baulöwe brauchte raschen Ersatz.
Egal, beschloss Moritz.
8.
Als sich die beiden Polizisten endlich verabschiedet hatten, wusch sich Rafi noch einmal die Hände und verließ ebenfalls den Laden. Er ging zu Fuß, es war nicht weit bis zur Moschee.
Ein Schild am Eingang zum ehemaligen Druckereigebäude im Hinterhof: Marokkanischer Kulturverein. Seit Neuestem hing dort auch eine Überwachungskamera – Rafi zeigte ihr das Victory-Zeichen.
Der Gebetsraum war ein großer Saal im ersten Stock, das Muster des Teppichs war nach Mekka ausgerichtet. Auf rund eintausend Männer schätzte Rafi die Zahl der Anwesenden. Sie saßen in kleinen Gruppen und plauderten oder ließen stumm die Holzperlen ihrer Gebetsketten durch die Finger gleiten. Früher, zu Zeiten des Bisnes, hatte Rafi die Moschee als einen Ort für Greise angesehen, die dort den Tag absaßen, weil sie nichts Besseres zu tun wussten. Wie verblendet war er gewesen!
Rafi entdeckte Said und ließ sich neben ihm nieder. Ab jetzt will ich so leben wie mein Glaubensbruder, sagte sich Rafi. Keine Kompromisse mehr.
Yassin gesellte sich zu ihnen, auch er ein Vorbild. Der Fünfundzwanzigjährige hatte in Kairo bei einem angesehenen Shaik den Koran studiert, zumindest einige Monate lang, wie es hieß. Rafi kannte ihn schon lange, denn Yassin war Noureddines bester Kumpel gewesen, als sie noch in Haan gewohnt hatten. Damals hatte Yassin noch Dennis geheißen. Das war, bevor er Muslim geworden war.
In den letzten zwei Jahren hatte ihn Rafi nie ohne Vollbart gesehen, filzig und nach Art des Propheten meist eine Faust lang, doch heute war Yassin frisch rasiert. Der Anblick verunsicherte Rafi.
»Salamu alaikum« , grüßte der Deutsche.
»Die Bullen waren bei uns«, raunte Rafi leise.
»Was wollten sie?«, fragte Said.
»Wegen dem Mord an Noureddine. Es soll neue Infos geben oder so.«
»Was denn für Infos?«, mischte sich Yassin ein.
»Dass es nicht die Kurden waren.«
»Wer sonst?«
Rafi zuckte mit den Schultern. »Angeblich Weibergeschichten. Völlig absurd. Die Bullen spinnen.«
Ihm tat es bereits leid, die Brüder damit behelligt zu haben. Sie brauchten nicht zu wissen, wie sehr ihn der Bulle mit dem runden Schädel beunruhigt hatte.
Der Zeiger der großen Uhr an der Stirnseite sprang auf zwölf. Der Muezzin räusperte sich ins Mikrofon, die Männer formierten sich in Reih und Glied, Schulter an Schulter.
Salat – das Gebet.
Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt außer Gott und dass Mohammed sein Prophet ist.
Der Imam stellte sich vor den Männern in Richtung Mekka auf.
Allahu akbar.
Er legte die Hände an die Ohren – zum Zeichen, dass sich jeder Muslim dem Wort Gottes öffnen solle. Dazu rezitierte der Imam al-Fatiha die erste Sure des Korans.
Ihdin ā s-sir ā ta l-mustaq ī m, sir ā ta l-ladh ī na an’amta ’alayhim ghayri l-maghd ū bi ’alayhim wa-l ā d-d ā ll ī n .
Er presste die Hände auf die Brust, um Gott ins Herz zu schließen, und ging auf die Knie.
Samia Allahu liman hamidah.
Der Imam warf sich nach vorn und berührte mit der Stirn den Boden – die Unterwerfung vor Gott.
Eintausend Männer machten jede seiner Bewegungen nach.
Dann stieg der Imam zur Kanzel empor, einem Verschlag aus rohen Brettern, zu dem drei Stufen führten.
Chutba – die Predigt.
»Verehrte Muslime, wie ich höre, scheint es Mode geworden zu sein, Tarotkarten zu legen und Geister zu beschwören, um das Schicksal zu erfahren. Aber wer sich der Zauberei hingibt, begeht eine große Sünde! Alles ist vorherbestimmt. Nur Gott kennt unser Schicksal. Wollt ihr in Gottes Handwerk pfuschen? Wie könnten Menschen versuchen, ihr Schicksal zu ändern? Legt keine Karten, schaut euch keinen Zauber an. Euer Kismet liegt allein in
Weitere Kostenlose Bücher