Sprengkraft
sich an. Es war ihm unangenehm, die Unterwäsche vom Vortag zu benutzen, aber bei seinem Aufbruch in Köln hatte er nicht ahnen können, was auf ihn zukommen würde.
Carola wandte sich zum Fenster und klang überraschend barsch. »Am Flughafen, in Düsseldorf. Es ist gestern spät geworden und ich muss gleich nach Berlin. Hoffentlich gibt es kein Problem mit dem Flieger. Da draußen schneit es.«
Moritz band sich die Krawatte um, damit das Ding auf dem Heimweg nicht knitterte. Er konnte nicht umhin, Carolas Telefonat mit anzuhören, denn er wollte das Zimmer nicht verlassen, ohne sich von ihr zu verabschieden. Ein Blick hinaus: Tatsächlich wirbelten Schneeflocken im Wind, aber nichts davon blieb liegen.
»Im Flughafenhotel, natürlich allein, was meinst du denn?«
In seiner Hosentasche entdeckte Moritz die Schlüsselkarte für sein Zimmer, das er nicht einmal betreten hatte.
»Tu nicht so, als hättest du mich vermisst! Meinst du, ich weiß nicht, wo du dich rumtreibst, wenn ich in Berlin bin?«
Ohne weitere Worte klappte Carola das Handy zusammen. Sie wandte sich Moritz zu, atmete tief durch und zeigte ein bitteres Lächeln.
»Mein Mann.«
Hektisch wühlte sie in ihrer Handtasche und warf Tabletten ein, ohne etwas nachzutrinken.
»Ole bescheißt mich. Das geht schon seit einem halben Jahr so.«
Moritz kommentierte das nicht. Ein wenig kam er sich vor wie das Mittel ihrer Rache.
»Ich brech dann mal auf«, sagte er.
Carola machte einen Schritt auf ihn zu, drückte ihre Brüste gegen sein Sakko und streichelte seine unrasierte Wange.
»Was ist?«, fragte sie, eine Augenbraue hebend. »Machst du’s?«
14.
Er wählte die ›wichtige Nummer‹, wie er sie nannte. Vor Aufregung vertippte er sich zunächst.
»Ja?«, meldete sich die Stimme am anderen Ende. Am Telefon nannte Michael Winner seinen Namen nie. »Ja, hallo?«
»Ich bin’s«, antwortete er. Eine ganze schlaflose Nacht lang hatte er sich seine Worte zurechtgelegt, doch plötzlich war er sich ihrer nicht mehr sicher.
»Von wo aus rufst du an?«
»Keine Angst, Prepaidhandy.«
»Und was gibt’s?«
»Unsere alte Sache …«
»Red schon. Du stiehlst meine Zeit.«
»Noureddine. Noureddine Diouri.«
»Keine Namen am Telefon! Hast du das vergessen?«
»Nein, aber …«
»Was willst du?«
»Die Polizei hat die Ermittlungen wieder aufgenommen.«
»Na und?«
»Es soll einen Zeugen geben.«
»Wer sagt das?«
Keinen Namen, überlegte er fieberhaft. »Sein … sein kleiner Bruder.«
»Der Scheißer hat doch keine Ahnung.«
»Er nicht, aber wenn es tatsächlich …«
»Was weißt du darüber?«
»Nichts.« Er nahm all seinen Mut zusammen. »Außer dass ich ein ziemliches Risiko trage.«
»Was soll das heißen?«
»Wir … wir müssen reden.«
»Nicht am Telefon!«
Die Verbindung war tot. Michael Winner hatte aufgelegt.
Aber es gab keinen Zweifel – Winner würde sich bald bei ihm melden.
Teil II Die Bombe
Mittwoch, 11. März, Düsseldorfer Morgenpost, Seite eins:
Ott-Petersen verlässt CDU – Freiheitliche im Bundestag vertreten Die Bundestagsabgeordnete Carola Ott-Petersen erklärte gestern ihren Austritt aus der CDU und wechselt zur rechtspopulistischen Bürgerbewegung Pro Freiheit. Zur Begründung warf die 42-jährige Kölnerin ihrer bisherigen Partei vor, wegen eines falschen Verständnisses von Religionsfreiheit muslimischen Fanatikern, die das Grundgesetz aushebeln wollten, den Boden zu bereiten.
In ihrer Heimatstadt zählt Ott-Petersen zu den Gegnern eines geplanten Moschee-Neubaus. Überregional bekannt wurde die Politikerin durch Illustrierten-Fotos, auf denen sie als Rockerbraut posierte. Im Bundestag gilt sie als Hinterbänklerin, ihr Mandat will sie behalten. Damit verfügen die Freiheitlichen über ihren ersten Sitz im deutschen Parlament.
Donnerstag, 12. März, Kölner Kurier, Landespolitik:
Carola Ott-Petersen soll Freiheitliche zur Mitte führen Weichenstellung bei der Bürgerbewegung Pro Freiheit: Das Präsidium der Protestpartei nominierte überraschend die Kölner Bundestagsabgeordnete Carola Ott-Petersen zur neuen Bundesvorsitzenden. Zugleich soll sie die Partei als Spitzenkandidatin in den NRW-Wahlkampf führen. Die neue Führung stehe für einen Kurswechsel der Freiheitlichen, die sich von »Spinnern und Fremdenhassern« abgrenzen und sich als »ehrliche Stimme« in der Parteienlandschaft etablieren wollen, so ein Sprecher gestern in Düsseldorf. Die endgültige
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