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Sprengkraft

Sprengkraft

Titel: Sprengkraft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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klobigen Gemäuer stammten aus den ersten Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts und standen unter Denkmalschutz. Graue Natursteinfassaden, eine frühere Kaserne des kaiserlichen Telegrafenbataillons, wie Veller wusste. Zur NS-Zeit waren auf dem Gelände Waffen erprobt worden, dann zog die Rote Armee ein, später eine Politoffiziersschule der DDR-Volkspolizei. Geschichte interessierte Veller – der Wandel der Zeiten und Machthaber, ihre Schattenseiten und Abstürze.

    Seit der Vereinigung gehörte die Liegenschaft der Bundeswehr. Zunächst hatte man Asylbewerber darin untergebracht, schließlich einen Teil des Bundeskriminalamts, darunter die Abteilung für religiös motivierten Terrorismus, die zuvor im rheinischen Meckenheim residiert hatte. Weitere Gebäude wurden gerade renoviert, die Bauarbeiter mussten sich in Gängen aus Maschen- und Stacheldraht bewegen, die Veller an Bilder aus Guantánamo erinnerten.

    Im Jahr 2004, wenige Monate nach den Bombenanschlägen auf vier Madrider Vorortzüge, bei denen 191 Menschen getötet worden waren, hatte die Bundesregierung in der Kaserne auch das › Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum‹ eingerichtet, kurz GTAZ genannt, das Herzstück der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus in Deutschland – zumindest pflegte es der Bundesinnenminister voller Stolz so zu bezeichnen.

    Das Besondere am GTAZ war, dass hier nicht nur gut einhundert Polizisten des BKA arbeiteten, sondern auch ebenso viele Schlapphüte des Bundesverfassungsschutzes. Daneben gab es Verbindungsbüros der Landeskriminalämter sowie der Landesbehörden für Verfassungsschutz. Und schließlich mischten Bundesnachrichtendienst und Militärischer Abschirmdienst mit, Zollkriminalamt, Bundespolizei, das Bundesamt für Immigration sowie die Bundesanwaltschaft. Nachrichtendienste und Polizeibehörden arbeiteten also Hand in Hand – das Grundgesetz war bei der Schaffung des GTAZ recht elastisch ausgelegt worden, denn eigentlich galt die Verzahnung von Polizei und Geheimdiensten nach den Erfahrungen der Nazizeit als tabu.

    Das Taxi hielt am Rolltor, Veller bezahlte, ließ sich eine Quittung geben und steuerte das Hauptgebäude an. Er passierte die Schleuse, gab seinen Dienstausweis ab und steckte sich die Besucherkarte an die Jacke. Dann suchte er den großen Sitzungssaal auf, in dem sich an jedem Werktag um halb neun die Teilnehmer der Lagebesprechung einfanden.

    Der zentral gelegene Raum schien seit der Kaiserzeit kaum verändert worden zu sein. Nur die große Uhr und die Weltkarte an der Stirnseite waren neueren Datums. Die Stühle umringten einen Tisch in Form eines lang gezogenen U. Veller war früh dran und wählte einen Platz in der zweiten Reihe, die für Besucher vorgesehen war. Vor der Fensterfront erstreckte sich ein Einkaufszentrum – nicht gerade ein Ausbund an architektonischer Kreativität.

    »Nach dem Vorfall in Düsseldorf werden endlich sämtliche Vorbehalte gegen weitere Sicherheitsmaßnahmen Schnee von gestern sein«, sagte ein älterer Herr, der neben Veller Platz nahm. Seine Augenbrauen waren buschig, das schüttere Haar über die Glatze gekämmt. Er zeigte ein Haifischlächeln, als sei ihm die Bombe gerade recht gekommen.

    Vellers Handy schlug Alarm. Auf dem Display stand Dombrowskis Nummer. Endlich.

    »Was gibt’s, Stefan?«

    »Wir haben jetzt alle Verbindungsdaten.«

    »Ja, und?«

    »Einer unserer Muslimbrüder telefonierte mit einer Person, die es nicht gibt.«

    »Was soll das heißen?«

    »Wir haben eine Handynummer, unter der sich kein Mensch meldet. Der Mobilfunkbetreiber gibt einen Michael Winner an, Hunsrückenstraße 37, aber Name und Adresse sind offenbar getürkt. Ich hab’s prüfen lassen. Unter der Hausnummer gibt es eine Starbucks-Filiale und Büros, aber keinen verdammten Winner. In ganz Nordrhein-Westfalen ist kein Mensch dieses Namens gemeldet! Was ist das für einer, der sich so sorgfältig tarnt?«

    Gute Frage, dachte Veller. »Wer von den Brüdern hat mit dieser Person telefoniert?«

    »Der Konvertit. Dennis Scholl alias Yassin. Und zwar regelmäßig.«

    »Wie regelmäßig?«

    »Seit vorletzten Freitag fast täglich.«

     
    Den Vorsitz der Lagebesprechung führte ein älterer Kollege des BKA. Er stellte der Runde Vellers Nebenmann mit den buschigen Augenbrauen vor, Gerhard Augstein, Staatssekretär im Innenministerium. Dessen Chef ließ sich entschuldigen – der Bundesminister hat also Besseres zu tun, dachte Veller: Interviews, Talkshows und

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