Sprengkraft
Kopf herrsche ein Durcheinander der Gefühle.
Daraufhin forderte BrudaSaid ihn auf, ihm persönlich zu mailen, was registrierten Forumsbesuchern offenbar durch Klick auf den User-Namen möglich war.
Dieser letzte dokumentierte Eintrag stammte vom 7. Dezember, zwei Uhr nachts.
So habt ihr beiden Brüder euch also kennengelernt.
37.
Die Morgenbesprechung endete mit einer klaren Marschroute: Findet Michael Winner.
Im Geschäftszimmer der Staatsschutzabteilung warteten bereits Miriam und Halima Boussoufa, die ungleichen Schwägerinnen. Als Anna sie begrüßte, erhob sich ein smarter Anzugträger und stellte sich als Anwalt der beiden Frauen vor. Er reichte Anna seine Karte: Cengiz Sükrü, Kanzlei Özaslan & Sükrü, Fachanwälte für Familien-, Ausländer-, Sozial- und Mietrecht – so, wie der Mann aussah und sprach, hatte Anna ihn für einen Deutschen gehalten.
Sie ließ Halima, die Schwester des verunglückten Said, in der Obhut der Schreibkraft und ging mit Miriam, der vermummten Ehefrau, und ihrem Rechtsbeistand zurück in den Besprechungsraum, der sich inzwischen geleert hatte.
Die Zeugenbefragung währte nur kurz. Fast jede Frage, die Anna an Miriam richtete, beantwortete der Anwalt mit dem gleichen, geschäftsmäßig vorgetragenen Satz: »Meine Mandantin macht von ihrem Recht der Aussageverweigerung Gebrauch.«
Schließlich platzte Anna der Kragen. »Hören Sie, Herr Sükrü, es geht hier nicht darum, Said Boussoufa vor dem Knast zu bewahren. Der junge Mann ist tot. Aber er und seine Freunde hatten vielleicht einen Mittäter! Ich frage Ihre Mandantin zum letzten Mal: Wer ist Michael Winner?«
Keine Reaktion.
»Wenn Sie schweigen, Frau Boussoufa, dann liegt die Vermutung nahe, dass Sie jemanden decken.« Anna wandte sich wieder an den Anwalt. »Niemand will Ihrer Mandantin das Recht auf Aussageverweigerung nehmen, aber ich bitte Sie, ihr zu erklären, dass sie zumindest eine moralische Mitschuld trägt, falls der nächste Anschlag gelingt.«
»Davon kann keine Rede sein, Frau Winkler. Frau Boussoufa weiß nichts von angeblichen terroristischen Aktivitäten ihres Mannes. Gleichwohl muss sie befürchten, dass die deutschen Behörden sie für eine Terroristin halten.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Können Sie mir garantieren, dass Frau Boussoufa und ihre Schwägerin nicht der totalen Kommunikationsüberwachung unterliegen?«, fragte Sükrü zurück. »Dass Sie nicht jedermann prüfen, der mit den beiden oder dem Rest der Familie auch nur ein Wort im Supermarkt wechselt?«
»War es Ihre Idee, dass Frau Boussoufa nicht aussagt?«
»Natürlich.«
»Gehören Sie auch zu dieser Szene?«, entfuhr es Anna.
»Zu welcher Szene?«, fragte Sükrü scharf.
Anna wusste, dass sie einen Fehler gemacht hatte, und überlegte, wie sie ihre Worte zurücknehmen konnte. Falls sich der Mann beschwerte, würde das höchstwahrscheinlich ihrer Laufbahn schaden.
Der Anwalt fragte: »Halten Sie mich wirklich für einen Islamisten? Nur weil ich Muslim bin? Glauben Sie, dass ich Terror befürworte? Wie kommen Sie dazu, mir so etwas zu unterstellen?«
»Sorry. Nein, natürlich unterstelle ich nichts. Ich bitte Sie um Verständnis, Herr Sükrü. Wir müssen davon ausgehen, dass der Ehemann Ihrer Mandantin einen Anschlag auf das Leben Hunderter unschuldiger Menschen plante. Und dass es Leute gibt, die diese Pläne weiterhin verfolgen. Stellen Sie sich vor, jemand würde in Ihrem Land, sagen wir auf einem belebten Platz mitten in Istanbul …«
»Wieso Istanbul? Dies hier ist mein Land. Ich bin deutscher Staatsbürger.«
»Tut mir leid.« Noch ein Fettnäpfchen, dachte Anna. Ich bin auch nicht besser als der Padre mit seinen Pigmentierten.
Sükrü lachte. »Was tut Ihnen leid? Dass ich Deutscher bin?«
Jetzt musste auch Anna lachen. Gut, dass der Mann das nicht so verbissen sah.
Der Anwalt wandte sich an Miriam. »Frau Boussoufa, als Ihr Anwalt rate ich Ihnen, mit der Polizei zu kooperieren, wenn Sie etwas über Anschlagspläne wissen.«
Saids Witwe schwieg.
»Sie verstehen doch, was ich sage, oder?«
»Ja, aber ich weiß nichts.«
»Kennen Sie einen Mann namens Michael Winner?«, fragte Anna.
»Nein«, antwortete die schwarz verhüllte Frau.
Runde zwei verlief mit dem gleichen Resultat: Anna redete mit Engelszungen auf Halima ein, die Schwester des Toten schüttelte nur ihre üppigen schwarzen Locken.
Annas Handy klingelte.
»Winkler«, meldete sie sich.
»Gut gelaunt klingt
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