Sprengkraft
anders.« Es war die Stimme von Stefan Dombrowski, Vellers Stellvertreter in der Ermittlungskommission. Ein rheinischer Witzbold, dachte Anna.
»Was gibt’s?«, fragte sie.
»Wir haben hier einen Schlüsselbund. Die Tatortgruppe meint, ihn Said Boussoufa zuordnen zu können, aber die Schlüssel passen zu keinem Schloss in Boussoufas Wohnung. Vielleicht können deine Zeuginnen etwas dazu sagen.«
Anna entschuldigte sich bei Halima und dem Anwalt, eilte aus dem Besprechungsraum, holte die Tüte mit dem Bund ab, zwei verschieden große Buntbartschlüssel, wie man sie zum Beispiel für Zimmertüren verwendet, an einem Ring.
Sie ging damit ins Geschäftszimmer. Die Witwe besah sich die Schlüssel und behauptete, sie nicht zu kennen.
Anna kehrte zurück zu Halima und Sükrü. Die Schwester des Toten zögerte einen Moment, blickte Sükrü an, dann beteuerte sie ebenfalls, die Schlüssel nicht zuordnen zu können.
»Wirklich nicht?«, fragte Anna nach.
»Ich hab sie nie zuvor gesehen.«
»Hatte Ihr Bruder vielleicht eine zweite Wohnung? Eine Garage oder Werkstatt? Einen Schuppen, den er mal erwähnte?«
Die junge Marokkanerin musste sich räuspern. »Said hatte keine Garage oder so. Er hatte nicht einmal ein Auto.«
Anna bedankte sich.
Sie blickte auf die Uhr – der nächste Termin stand an.
Zander fuhr vom Parkplatz und fädelte den Dienstwagen in den dichten Verkehr der Völklinger Straße ein. Seine Beifahrerin wirkte bedrückt.
»Garantiert haben die beiden die Schlüssel erkannt«, sagte sie. »Zumindest das Lockenköpfchen Halima. Da wette ich.«
»Du wettest?«
»Willst du dagegenhalten?«
»Nein, ich traue diesen Leuten auch nicht.«
Anna gähnte in die vorgehaltene Hand.
»Heute Nacht schlecht geschlafen?«, fragte Zander.
»Fürchterlich.«
Zander war es nicht besser gegangen – Albtraumbilder von zerfetzten Leichen, das unablässige Pochen seiner Wunde und die näher rückende Frist, die der Kripochef ihm gesetzt hatte. Nur noch zwei Tage.
»Der Leiter unserer Ermittlungskommission sammelt also Bonusmeilen«, wechselte Zander das Thema.
»Paul fliegt sicher nicht zum Spaß nach Berlin.«
»Es heißt, Veller sei ein Sportwagentyp.«
»Was soll das denn bedeuten?«
Zander zuckte mit den Schultern.
Anna begann zu lachen. »Bist du etwa eifersüchtig?«
»Quatsch.«
»Dann macht es dir ja nichts aus, wenn ich dir sage, dass Paul tatsächlich einen Sportwagen fährt und mit seinen blauen Augen aussieht wie Paul Newman als Butch Cassidy.«
Mach, was du willst, dachte Zander. Ich habe dich gewarnt.
Sie fuhren in das südliche Bilk, vorbei am Aachener Platz und dem Gelände, auf dem sich an den Wochenenden der Flohmarkt tummelte. Eine Brücke brachte sie über den Autobahnzubringer in das Viertel um den Merowinger Platz.
Zander presste eine Hand auf seine Wange. Dieses Scheißpochen.
Anna runzelte die Stirn. »Tut’s noch weh, Padre?«
Er ging nicht darauf ein.
Die Straße, in der die Schwester von Noureddine und Rafi wohnte, war nur auf einer Seite bebaut. Nach Süden ging der Blick auf ein Kleingartengelände, in dem Sträucher und Stauden erste Knospen zeigten. Hinter der nächsten Kreuzung erstreckte sich das Areal der Universitätskliniken. Trotzdem gab es in dieser Straße jede Menge freie Parkplätze – eine Seltenheit.
Das Haus war schmal und rot geklinkert. Auf dem obersten Klingelschild lediglich Initialen: FD. Die Haustür ließ sich aufdrücken. Zander folgte Anna, die sich sportlich gab und die Treppen zur Dachwohnung sehr flott nahm. Als er ankam, hatte sie bereits geklingelt.
Die Linse des Türspions verdunkelte sich. Dann ging die Tür auf, so weit es die vorgelegte Kette erlaubte. Ein Gesicht zeigte sich, das Haar schien blond zu sein – Zander war irritiert.
»Fatima Diouri?«, wollte er wissen.
»Was gibt’s?«, fragte die Frau zurück, akzentfrei. »Ich kaufe keine Bibeln und wechsle auch nicht den Telefonanbieter.«
Anna nannte ihren Namen, hielt den Dienstausweis hin und sagte: »Kripo. Wir haben ein paar Fragen zu Ihrem Bruder Abderrafi.«
Die Frau zog die Tür zu, hakte die Kette aus und öffnete.
»Kommen Sie herein.«
Eine kleine, überheizte Küche mit schräger Decke, die Einrichtung billig. Hastig räumte Fatima Geschirr vom Tisch und bat die beiden Beamten, Platz zu nehmen.
Nach allem, was Zander über Migranten aus Marokko wusste, war es unüblich, dass eine unverheiratete Tochter nicht bei
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