Sprengkraft
ihr Taschentuch.
»Was sagt ihre Familie?«, fragte Moritz.
»Ihr Mann hat sie am Montagmorgen zum letzten Mal gesehen, aber sie muss am Dienstag im Haus gewesen sein, weil das Motorrad verschwunden ist.«
Ein Handy spielte den Anfang der Shaft -Musik. Kommissarin Rossberg holte ihr Gerät aus der Tasche, telefonierte kurz und machte sich Notizen, während alle anderen warteten.
Dann meldete sie: »Frau Ott-Petersen hat am Dienstag das Flugzeug benutzt und ist um 11.45 Uhr in Düsseldorf gelandet. Flugnummer LH 077.«
Klee fegte sich Schuppen von der Schulter. »Wie Sie sehen, nehmen wir das Verschwinden Ihrer Parteichefin durchaus ernst.«
Still lächelte. Gräfe nickte. Moritz hätte dem dicken Bullen am liebsten in den Arsch getreten.
Rossberg fragte: »Kann es sein, dass sie nach Berlin gereist ist? Immerhin ist sie Bundestagsabgeordnete.«
»Das wüssten wir«, antwortete Moritz. »Außerdem wäre sie wohl kaum die weite Strecke mit dem Motorrad gefahren. Wir sollten in Betracht ziehen, dass ihr etwas zugestoßen ist.«
Klee fragte: »Wissen Sie, was Frau, äh, Ott-Petersen gestern vorhatte?«
»Bürotermine und gegen Abend die Bundesvorstandssitzung hier im Haus«, antwortete Gräfe. »Danach war sie noch zu einem privaten Termin in Essen eingeladen. Aber auch dort ist sie nicht aufgetaucht.«
»Hm. Herr Petersen meint, dass seine Frau möglicherweise einen Geliebten hätte. Wissen Sie etwas darüber? Vielleicht ist sie ja bei ihm.«
»Nein«, sagte Gräfe mit Bestimmtheit. Still schüttelte den Kopf.
Klee blickte Moritz an. »Sie?«
»Nein, aber …«
»Aber was?«
»Als wir telefonierten, deutete Frau Ott an, ihren Mann verlassen zu wollen.«
»Ach. Eine Ehekrise?«
»Scheint so.«
»Sie sprechen also über private Dinge?«
»Nur das eine Mal.«
»Und?«
»Sonst hat sie nichts gesagt. Aber warum fragen Sie danach? Viel besorgniserregender sind doch die Morddrohungen durch radikal-islamische Kreise!«
Der dicke Kommissar nickte, seine Kollegin notierte etwas. »Wir bräuchten möglichst aktuelle Porträtfotos von Frau Ott-Petersen. Haben Sie doch sicher.«
Moritz ging in sein Büro und druckte einige Bilder in mehrfacher Ausführung aus, dazu noch sämtliche E-Mail-Drohungen, die seit Carolas Fernsehauftritt eingetroffen waren.
Nachdem die Polizisten gegangen waren, verabschiedete sich auch Still von Moritz. »Großartig, Lemke!«, sagte er.
»Was meinen Sie?«
»Wie Sie immer wieder die Mohammedjünger ins Spiel bringen. Sie finden stets einen Dreh, nicht wahr? Unsere Partei als Opfer der Bösen – damit sammeln wir weitere Sympathien. Sehr gut!«
»Ich hoffe, dass ich mir umsonst Sorgen mache, aber …«
»Genau. Und wir bleiben dabei, dass wir nichts über einen Lover wissen.« Still beugte sich vor und ergänzte leise: »Die Freiheitlichen sind jetzt hoffentlich im Aufwind und da wollen wir doch kein Gerede über unsere Chefin.«
»Natürlich nicht«, bestätigte Moritz und fragte sich, ob Still etwas wusste.
Der seufzte: »Bucerius wollte unbedingt eine Frau an der Spitze. Jetzt haben wir den Salat. Vorzeigbar ist sie ja, aber auch sprunghaft.« Ein Schulterklopfen. »Aber wem sag ich das, nicht wahr?«
Still machte sich mit großen Schritten davon, um in sein Ministerium zurückzukehren.
Moritz verspürte den Wunsch nach einem Kaffee und ging zu Heike. Die Sekretärin starrte auf ihren Monitor und drückte sich ein Tempo vor die Nase. Ihre runden Schultern bebten.
»Was gibt’s denn, Heike?«
»Frau Ott!«
Moritz erschrak. »Hat man sie gefunden?«
Die Sekretärin schüttelte den Kopf.
Er legte einen Arm um sie und las, was auf dem Bildschirm stand. Heike hatte neue E-Mails abgerufen.
Es gibt keine Freiheit, sondern nur den Willen Allahs. Frau Ott und die Freiheitlichen sind die Feinde aller Muslime! Tod den Ungläubigen, die Allah, den Propheten und den Islam verhöhnen!
»Ich hab solche Angst um unsere Chefin«, sagte Heike.
»Leiten Sie diese Mail an die Polizei weiter. Klee und Rossberg heißen die zuständigen Beamten.«
Heike schniefte und nickte heftig.
In diesem Moment klingelte Moritz’ Handy.
Die Mobilfunknummer, die das Display zeigte, kannte Moritz nur zu gut. Auf dem Weg zurück in sein Büro nahm er das Gespräch an.
»Ich bin’s, Petra«, meldete sich seine Ex.
»Schön, deine Stimme zu hören«, antwortete Moritz. Ihm fiel siedend heiß ein, dass Petra für heute ihren Besuch angekündigt
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