Sprengkraft
hoffen, dass in seinem aktuellen Fall die Schlapphüte ehrlich zu ihm waren.
Anschnallen zur Landung, der Sinkflug begann. Veller packte das Dossier weg und hielt durch die Wolkenfetzen hindurch Ausschau nach dem Rhein.
Auf dem Weg durch das Düsseldorfer Flughafengebäude schaltete er sein Handy wieder ein, hörte die Mailbox ab und rief Dombrowski an, bei dem die Fäden der Ermittlung zusammenliefen.
»Paul hier«, sagte Veller. »Wir wissen jetzt, wer Michael Winner ist.«
»Und?«
»Er lebt in Los Angeles und ist der Regisseur von Ein Mann sieht rot. Du erinnerst dich, dieser Selbstjustizfilm mit Charles Bronson.«
»Was soll das bedeuten? Ein Islamist mit schrägem Humor?«
»Die Geheimdienstfritzen haben keinen Schimmer. Behaupten sie.«
»Sag mal, Paul, was war da los in Berlin?«
»Ich weiß nicht, was du meinst.«
»Das Bundesinnenministerium hat sich über dich beschwert. Du hättest den Staatssekretär beleidigt, oder so.«
»Blödsinn!«
»Jedenfalls will unser Direktor einen Bericht von dir.«
Vor der Rolltreppe stauten sich die Passagiere, weil sich ein Opa mit seinem Trolley ungeschickt anstellte.
Veller fragte in sein Mobiltelefon: »Habt ihr was Neues über unsere Bombenbastler?«
Sämtliche Umstehenden glotzten ihn an. Veller nahm die Treppe.
»Ja«, antwortete Dombrowski. »Die Ergebnisse der DNA-Untersuchung – die Toten sind jetzt identifiziert. Der Kerl, dem der Kopf fehlt, ist Scholl, der ohne Hand ist Boussoufa. Über Diouri sagen die Ärzte, dass sie ihn im Lauf des morgigen Tags aus dem künstlichen Koma aufwachen lassen. Ob wir ihn dann schon befragen können, müssen wir abwarten.«
»Und die Spurenlage?«
»Es gibt zwei Schlüssel, die wir anhand der Fingerprints Said Boussoufa zuordnen können. Noch wissen wir nicht, wozu sie gehören. Die Marokkaner mauern, kreuzen mit Anwalt auf und verweigern die Aussage. Winkler und Zander waren bei Fatima Diouri, aber das Mädel scheint nichts zu wissen. Ist schon länger von zu Hause fort.«
Die letzte Automatiktür öffnete sich, Veller trat ins Freie und blickte in den Düsseldorfer Himmel, der nicht weniger grau war als der in Berlin. Eine Windbö fuhr in seine Jacke. Er lief auf das erste freie Taxi zu.
»Und das Umfeld des Konvertiten?«, fragte Veller ins Handy.
»Gleich kreuzt die Stiefschwester auf. Und im Minutentakt gehen bei der Hinweisaufnahme Anrufe ein. Natürlich mehr Spreu als Weizen.«
»Wer spricht mit der Stiefschwester?«
»Anna Winkler.«
»Sag ihr, dass ich in fünfzehn Minuten da bin. Sie soll mit der Befragung so lange warten.«
»Und der Bericht für den Direktor?«
»Wann werden wir endlich von solchem Scheiß befreit und können in Ruhe unsere Arbeit tun?«
»Auf Scherzfragen antworte ich prinzipiell nicht.«
Die Stiefschwester hieß Nadja Senghaas, lebte in Haan und zeigte kaum Ähnlichkeit mit Dennis Scholl, urteilte man nach den Fotos, die den LKA-Ermittlern vorlagen. Sie war deutlich korpulenter und älter, Mitte dreißig, schätzte Veller. Eine Strähne ihres Haares war violett gefärbt, im Nasenflügel saß ein Ring.
»Ich hab Dennis eine Zeit lang quasi großgezogen«, erzählte sie. »Wenn er aus der Schule kam, war Mama noch im Büro und Günni, ihr zweiter Mann, hatte meist schon einen sitzen. Günni hatte mal bei ’ner Spedition gearbeitet. Es ist nicht so, dass er sich nicht um einen Job bemüht hat, aber wer nimmt schon ’nen Alkoholiker als Fahrer?«
»Und Dennis?«, fragte Anna.
»Ein stiller Typ, aber nicht dumm. Ich hab aufgepasst, dass er seine Hausaufgaben gemacht hat. So hat er dann sogar den Realschulabschluss geschafft. Zu der Zeit war ich aber schon aus dem Haus.«
»Die Diouris wohnten damals auch in Haan.«
»Ja, in der Nachbarschaft. Herzliche Leute, vor allem die Mutter. Mein Brüderchen war oft dort. Fast ein zweites Zuhause. Doch dann sind sie nach Düsseldorf gezogen und haben dort ’nen Fischladen aufgemacht. Da hat es Dennis auch nicht länger in Haan ausgehalten. Er hat die Lehre geschmissen und ist abgehauen.«
»Hatten Sie danach noch Kontakt zu ihm?«
»Nicht mehr viel. Ich war ja schon verheiratet. Irgendwann hab ich von Mama gehört, dass Dennis zum Islam übergetreten ist.«
»Was wissen Sie über seine Freunde?«
»Na ja, das war vor allem der Noureddine. Mit dem war er viel zusammen. Sonst … keine Ahnung. Wie gesagt, er hat sich nur noch selten blicken lassen. Eigentlich nur, wenn er Geld
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