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Sprich nicht darüber

Sprich nicht darüber

Titel: Sprich nicht darüber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Lynne
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den Raum.
    Der Gedanke, Maurice könnte ihre Freundschaft aus Gewinnsucht aufs Spiel gesetzt haben, tat schrecklich weh. Sicher, Geld war ihm wichtig, er wollte im Leben vorwärts kommen. Aber seine Geschäfte liefen bestens, finanziell litt er wahrlich keine Not.
    Mit Tränen in den Augen stolperte Rosie in einen Raum, in dem lauter fremde Menschen offenbar ein Büro einrichteten. Sie war so mit sich beschäftigt, dass sie sich nicht einmal darüber wunderte. Sie machte kehrt und rannte blindlings aus dem Haus. Aber auch im Hof vor der Tür wimmelte es vor Leuten. Rosie lief an einem Lieferwagen vorbei, der mit viel Wirbel ausgeladen wurde, in den Garten. Sie kam sich vor wie ein verletztes Tier, das Dunkelheit und Einsamkeit suchte.
    Dann brach das Schluchzen aus ihr heraus. Sie schlug die Hände vors Gesicht, ihre Schultern zuckten krampfhaft. Plötzlich fühlte sie sich von hinten umarmt, feste Hände drehten sie herum. Sie stemmte sich dagegen, doch es half nichts.
    “Hab keine Angst, paidi mou, ich bin’s nur”, sagte Constantin leise, als wäre es das Normalste von der Welt, dass er sie tröstend in die Arme nahm. “Ich weiß, es tut weh, wenn man enttäuscht wird.”
    “Maurice ist der einzige Mensch, dem ich je vertraut habe … außer Anton.” Vergeblich kämpfte Rosie gegen die Tränen, die ihr über die Wangen liefen.
    Constantin zog ihre Hände herunter, aber sie stieß ihn heftig weg und wandte ihm trotzig den Rücken zu.
    “Wie lange kennst du Maurice eigentlich?” fragte er sanft.
    “Seit ich dreizehn war … Und merkwürdig …”, murmelte Rosie gedankenverloren. “Bevor wir Freunde wurden, hatte ich mehr Angst vor ihm als vor den anderen Jungen im Heim.”
    “In welchem Heim?”
    Rosie lachte bitter. “Nachdem meine Mutter gestorben war, steckte mein Stiefvater mich in ein Fürsorgeheim.”
    “Warum das?”
    “Weil ich nicht sein eigenes Kind war. Erst nach der Heirat mit meiner Mutter erfuhr er, dass sie in anderen Umständen war.”
    “Aber er blieb bei deiner Mutter. Warum hat er sich nicht scheiden lassen?” forschte Constantin.
    Rosie presste die Lippen zusammen. Es war eine komplizierte Geschichte. Tony Waring war die erste Liebe ihrer Mutter gewesen. Er hatte sie angefleht, ihn zu heiraten, bevor sie nach London ging, um dort einen Job als Sekretärin anzunehmen. Als sie zurückkehrte und ihm ihr Jawort gab, war Tony überglücklich und hinterfragte ihren Sinneswandel nicht lange. Rosies Mutter hatte versucht, ihrer Tochter das Ganze zu erklären. Tony Waring war zu Recht erbittert, er war hintergangen worden. Man konnte nicht von ihm erwarten, dass er Rosie genauso annahm wie seine eigenen zwei Söhne.
    “Er konnte es nicht verwinden, dass sie ihm das angetan hatte”, sagte sie leise. “Sie hatten noch zwei Kinder miteinander, doch er verzieh meiner Mutter den Fehltritt nie. Als sie tot war, wollte er mich nicht mehr um sich haben.”
    “Wie alt warst du da?”
    “Neun. Ich kam in ein Kinderheim und dann zu verschiedenen Pflegeeltern. Ich riss dauernd aus, also hatte ich bald den Ruf eines schwierigen Kindes. Da, wo ich schließlich landete, hatte ich ein paar ziemlich raue Kameraden.”
    “Und Maurice war einer von denen?”
    “Er war dort, weil die Behörden ihn in der Nähe des Krankenhauses unterbringen wollten, in dem seine Mutter lag. Seine Schwester war bei Pflegeeltern, aber halbwüchsige Knaben wollte niemand haben. Ich möchte jetzt eigentlich nicht mehr darüber sprechen.” Rosie wollte weggehen. Sie fragte sich, warum sie Constantin von diesen höchst persönlichen, schmerzlichen Dingen erzählte, die ihn absolut nichts angingen.
    “Du liebst diesen geldgierigen Kerl also wirklich”, schnaubte Constantin wütend. “Diesen Bastard, der dich bei der nächstbesten Gelegenheit fallen lässt, sofern er auf der sicheren Seite ist!”
    Rosie fuhr herum. Ihr Gesicht war tränennass und blass. “Wie kannst du so etwas sagen?”
    “Er hat dich mir quasi in die Arme getrieben. Hat er überhaupt nachgefragt, was für ein Mensch ich bin? Hat er sich Gedanken gemacht, wie ich mit dir nach diesem Zeitungsartikel verfahren würde?”
    “Er konnte nicht ahnen … er wusste ja nicht …”, wandte Rosie hilflos ein.
    “Wenn du den Kerl noch länger verteidigst, fliege ich auf der Stelle nach England und nehme ihn nach Strich und Faden auseinander”, schnaubte Constantin. Seine Wut kam so überraschend, dass Rosie erschrocken die Augen aufriss. “Und wenn du wissen

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