Spring in den Himmel
schon fast ein Jahr zurücklag.
Nein, nein, nein, wir haben nicht dasselbe erlebt. Jamina sagte es sich immer wieder. Yoyo ist ganz anders. Klar, manchmal ziemlich komisch, aber diese Moo, die war ja anscheinend total krank, so wie Hannah das schilderte. Yoyo ist doch nicht allein schuld, dass wir Krach haben. Ich hab da auch was dazu getan.
»Das Schlimmste ist, dass ich mich immer wieder verantwortlich gefühlt habe für das, was passiert ist.«
Jamina schluckte. Warum sprach Hannah gerade jetzt das an, was sie selbst gedacht hatte?
»Moo konnte mir echt das Gefühl geben, ich sei nichtganz bei Trost, total strange oder psycho. Und ich hab's auch noch geglaubt.«
Eigentlich wollte Jamina nichts mehr hören. Das alles machte ihr Angst.
»Ich hab so lange gedacht, ich tue Moo unrecht. Aber irgendwann war sie mehr bei uns zu Hause als ich selber, sie hatte viele neue Freunde und ich war allein.«
Am liebsten würde ich jetzt gehen, dachte Jamina. Was soll ich sagen? Dass ich noch einen Termin habe? Hannah war ja total nett, aber was sie da erzählte, das machte Jamina fertig.
Hannah sah Jamina an, direkt und aufrichtig. Ihre Sorge wirkte echt.
»Ich weiß, das ist nicht lustig. Bestimmt hart, gerade wenn's einem ähnlich geht. Ich hab meine Geschichte dann ins Forum gestellt und einige Leute kennengelernt, denen so was Ähnliches passiert ist. Es laufen doch mehr Verrückte rum, als man denkt.«
Jamina war erschrocken von der Härte in Hannahs Worten. Die hatte Tränen in den Augen.
»Weißt du, mein Leben war vielleicht langweilig, aber es war in Ordnung. Mit Moo war's erst spannend und dann die Hölle. Sie hat mich klein gemacht, sie hat mir mein Leben genommen. Sie hat mich ausgesaugt wie ein Vampir. Erst war ich toll, dann nur noch die kleine eifersüchtige Hannah, die die große, tolle Moo nicht genug bewunderte. Die sich nur einbildete, dass Moo ihr was wegnahm. Als wäre ich krank. Aber ich sag dir: In Wirklichkeit war sie es.«
»Yoyo ist doch nicht Moo …«
»Je früher du aus dieser ›Ich liebe dich, ich hasse dich-Nummer‹ aussteigst, desto besser für dich.«
Mit wem sollte sie darüber reden? Mit Sophia vielleicht, immerhin hatte sie den Kontakt zu Hannah vermittelt. Aber sie hatte keine Lust auf Sophias Lästereien über Yoyo und diesen rechthaberischen Ton: Siehst du, ich hab's dir doch gleich gesagt.
Alexander … Vielleicht erreichte sie ihn jetzt.
»Sorry, ich hab gar nicht viel Zeit, Jamina.«
»Nicht einmal eine halbe Stunde?«
»In ein paar Tagen ist Mathe-Abitur und ich kann mir echt keinen Aussetzer leisten.«
»Okay … dann lass ich dich in Ruhe.«
Kurzes Schweigen. Sie beendete das Gespräch nicht, sondern lauschte. Hörte im Hintergrund Musik.
»Kannst du denn lernen, wenn du Musik hörst?«
»Hallo – hab ich kein Recht auf eine Pause?«
»Entschuldige, so hab ich's nicht gemeint.«
Warum war er so aggressiv? Machte ihn das Lernen fertig oder ging sie ihm auf die Nerven mit ihren Anrufen und SMS? Sollte sie sich mehr zurückhalten? Aber was war das für eine Beziehung, bei der sie nicht offen sagen konnte, dass sie ihn sehen, mit ihm sprechen wollte, dass sie ihn vermisste?
Alexander schnäuzte sich.
»Bist du erkältet?«
»Ich glaub, das Bad in der eiskalten Isar war doch nicht so gut. Und dann noch das Judo-Training in der zugigen Halle …«
»Tut mir leid …«
Sie entschuldigte sich schon wieder. Schweigen.
»Jamina, ist irgendwas los? Was Schlimmes?«
»Nein, ich wollte nur mit dir reden.«
»Weil, wenn es dringend ist, dann helf ich dir natürlich gern. Aber wenn's nur ums Quatschen geht … ich bin echt unter Druck.«
»Klar. Mach's gut.«
»Danke. Ich meld mich bei dir, ja?«
Sie hätte so gerne gehört, dass er sie lieb hatte, dass er sie vermisste. Aber nichts dergleichen. Wann würde er wieder anrufen? Sie steckte ihr Handy ein und ging zur U-Bahn. Plötzlich fühlte sie sich so allein. Wie Hannah es beschrieben hatte. Als hätte jemand die Lebenskraft aus ihr gesaugt wie ein Vampir. Und als wäre ihr Leben leer. Auf einmal. Von jetzt auf gleich. Oder hatte das alles schon viel früher angefangen und es war ihr nur nicht aufgefallen?
24. Kapitel
Sie saß auf der Bank und beobachtete die Kinder. Zwei größere Kinder schaukelten, eine Mutter und ein Vater gaben ihnen Schwung. Drei kleinere saßen im Sandkasten, sie bauten und buken kleine Kuchen, die schnell wieder zerfielen. Ihre Gedanken kreisten permanent um das Gespräch mit Hannah am
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