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Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Titel: Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Tarneke
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»Schon gar nicht meine! Ich liebe mein Bienchen. Sie ist halt sehr temperamentvoll. Außerdem hatte ich so viel Mist gebaut, da war es doch kein Wunder, dass sie ausrastete.«
    Ich war sprachlos.
    Als wir seine Verletzungen und Brüche versorgt hatten, stand Bienchen plötzlich im Raum. Die Frau mit den schlagenden Argumenten war ungefähr so alt wie ihr Mann, groß, schlank und eine gepflegte Erscheinung.
    Â»Bist du fertig, Schatz?«, fragte sie mit schriller Stimme.
    Â»Natürlich«, sagte Rolf-Dieter W. schnell und beeilte sich, seine Sachen zusammenzusuchen. »Tut mir leid, dass du warten musstest.«
    Gemeinsam verließen sie die Notaufnahme, und ich fragte mich, wann Rolf-Dieter W.s Selbstbewusstsein sich wohl von ihm verabschiedet hatte.
    ***
    Fälle wie die von Rolf-Dieter W. sind eher die Ausnahme. Viel häufiger habe ich Geschichten wie die folgende erlebt, wenngleich diese ein besonders krasses Beispiel von häuslicher Gewalt darstellt:
    Ich war gerade mit dem Gipsen eines Beines fertig, als ich leises Weinen hörte. Das Schluchzen wurde immer wieder von einem verzweifelten Gemurmel unterbrochen, das ich nicht verstehen konnte. Was war das für eine Sprache? Deutsch war es jedenfalls nicht.
    Es war Türkisch, wie ich wenig später erfuhr. Hinter einem Vorhang kauerte Belek F., die übel zugerichtet war. Das rechte Auge war so stark geschwollen, dass sie es gar nicht mehr öffnen konnte. Aus ihrer Nase lief Blut, und ihr linkes Ohr war stark eingerissen, so als hätte jemand versucht, es abzureißen. Es war so sicher wie das Amen in der Kirche, dass Belek F. Opfer schlimmer Gewalt geworden war.
    Â»Ich bin beim Putzen gestürzt«, sagte sie verzweifelt, als ich mich zu ihr setzte. »Bitte, Sie müssen sagen, dass ich beim Putzen gestürzt bin!«
    Sie sprach ein fast akzentfreies Deutsch und wirkte trotz ihrer offensichtlichen Panik wie jemand, der wusste, was er tat. Dabei zitterte sie allerdings am ganzen Leib.
    Â»Ganz ruhig«, redete ich ihr zu. »Sie können ganz offen reden, hier haben Sie nichts zu befürchten. Sie sind geschlagen worden, nicht wahr?«
    Belek F. nickte zögerlich.
    Â»Können Sie erzählen, was passiert ist?«
    Belek F. holte tief Luft.
    Â»Es ist gar nichts passiert. Er macht das immer. Immer wenn er will.«
    Â»Wer? Ihr Mann? Er schlägt Sie jeden Tag?«
    Sie zuckte mit den Achseln.
    Â»Mehr oder weniger. Vielleicht ist mal ein Tag Pause. Aber sonst …«
    Belek F. erzählte mir, wie ihr Ehemann sie heute Morgen beim kurzen Schwatz mit dem Nachbarn im Hausflur überrascht hatte. Seine Frau unterhielt sich alleine mit einem fremden Mann – das konnte er nicht durchgehen lassen. Mit der Faust schlug er ihr ins Gesicht, zerrte sie dann am Ohr über den Boden bis ins Wohnzimmer, wo er sie auf den Couchtisch schleuderte, so dass dieser zerbrach. Danach trat und schlug er weiter auf sie ein.
    Ich war fassungslos angesichts dieser zügellosen Gewalt.
    Â»Wie können Sie das nur aushalten?«
    Belek F. zuckte mit den Achseln.
    Â»Ich weiß nicht. Meistens schließt er mich auch noch in der Wohnung ein, wenn er mich so verprügelt hat. Das ist fast noch schlimmer.«
    Â»Das können Sie sich doch nicht gefallen lassen!«, sagte ich mit Nachdruck.
    Â»Was soll ich denn machen? Mein Mann wartet draußen. Wenn er erfährt, dass ich Ihnen das erzählt habe, bringt er mich um. Ich bin in der Küche gestürzt, beim Putzen, bitte vergessen Sie das nicht.«
    Â»Keine Sorge«, versuchte ich sie zu beruhigen. »Ihr Mann wird nichts von dem erfahren, was Sie mir erzählt haben. Versprochen.«
    Ich konnte nicht ahnen, dass ich mein Versprechen zu diesem Zeitpunkt bereits gebrochen hatte.
    Denn hinter dem Vorhang wartete ein anderer türkischer Patient, ein Mann, der weder Belek F. noch ihren Ehemann jemals gesehen oder gesprochen hatte. Nichts, aber auch rein gar nichts verband diesen Mann mit meiner Patientin und ihrem prügelnden Gatten. Allein die Tatsache, dass er ebenfalls Türke war, genügte ihm, um in den Wartebereich zu gehen und Beleks Ehemann alles detailliert zu erzählen. Eine türkische Frau hat nicht schlecht über ihren Ehemann zu reden, das konnte der Fremde einfach nicht dulden.
    Fünf Minuten später rauschte der aufgebrachte Ehemann in das Behandlungszimmer. Er tobte und schrie seine Frau wütend an, und wäre ich

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