Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme
nicht dabei gewesen, hätte er sie garantiert wieder geschlagen. So blieb es nur beim Brüllen. Ich verstand kein Wort von dem, was er sagte. Egal.
»Raus hier!«, brüllte ich ihn an.
»Halts Maul, Frau!«, schrie er in gebrochenem Deutsch zurück.
Demonstrativ nahm ich das Telefon in die Hand.
»Wenn Sie nicht sofort von hier verschwinden, rufe ich die Polizei!«
Er brüllte mir noch wütend etwas Undefinierbares zu, aber als ich anfing, die Nummer der Polizei einzutippen, ging er brummend zurück in den Wartebereich.
Belek F. war nun noch verzweifelter als vorher.
»Hören Sie, ich bringe Sie in ein Frauenhaus. Da sind Sie sicher«, sagte ich eindringlich.
Während ich die Verletzungen von Belek F. versorgte, redete ich weiter auf sie ein und versuchte, sie zu überzeugen, dass sie in einem Frauenhaus am besten aufgehoben sei. Nach einer knappen Stunde dachte ich, ich hätte es geschafft.
»Gut«, sagte Belek F. »Ich gehe zu meinem Mann und sage ihm das.«
Ich nickte ihr aufmunternd zu. In dem Moment war ich noch zuversichtlich, dass Belek F. an diesem Tag ihren gewalttätigen Mann verlassen und in ein Frauenhaus gehen würde. Aber was soll ich Ihnen sagen? Keine fünf Minuten später sah ich durchs Fenster, wie Belek F. gemeinsam mit ihrem Mann das Krankenhaus verlieà und zu ihm ins Auto stieg.
Ich habe die Frau nie wiedergesehen und kann nur hoffen, dass es ihr gut geht.
***
Häusliche Gewalt läuft in einer Millionenstadt wie Köln nicht immer nach dem klassischen Muster Mann-schlägt-Frau oder umgekehrt ab. In bestimmten Vierteln, die ich jetzt nicht namentlich nennen möchte, kann das durchaus auch andere AusmaÃe annehmen. Ich spreche von den Vierteln, die jede gröÃere Stadt kennt und die von der Politik gerne als soziale Brennpunkte bezeichnet werden. Um es auf den Punkt zu bringen: Hochhausgettos mit jeder Menge Bandenkriminalität.
Aus diesem grimmigen Umfeld kam Maik V. geradewegs zu uns in die Notaufnahme. Natürlich nicht alleine. Maik V. brachte einen hübschen Oberarmdurchschuss mit â und seine gesamte Gang.
Ein Dutzend junge Männer saà nun in unserem Wartezimmer, und Sie können sich vorstellen, dass keiner von ihnen besonders vertrauenerweckend aussah. Im Gegenteil. Alle waren stark tätowiert, und zwar nicht nur an den Armen, sondern auch an Hals und Gesicht. Und obwohl sie es zu verbergen versuchten, war ich mir sicher, dass die meisten von ihnen Waffen trugen.
Damit hatte Maiks Oberarm offenkundig schon Bekanntschaft gemacht. Und das Ergebnis war besorgniserregend. Die Eintrittswunde war noch relativ glatt und klar umrissen, aber mit dem Austritt sah es komplett anders aus. Ein faseriges, Zweieurostück groÃes Loch prangte an seinem Arm. Eine ziemlich blutige Angelegenheit.
»Wie ist das passiert?«, fragte ich ihn, während ich versuchte, die Blutung zu stoppen.
»Der Mehmet von den Türken ist oben eingezogen«, gab Maik V. stöhnend Antwort.
Ich verstand kein Wort.
»Na, bei uns im Haus!«, sagte Maik genervt und erklärte mir, dass besagter Mehmet Mitglied bei den 13 Boys ist, einer türkischen StraÃengang, die sich seit längerer Zeit Kämpfe mit Maiks Gang lieferte.
»Wir sind the boyz, klar? Mit den boyz legt man sich nicht an! Und wenn einer von den 13 Boys in ein boyz-Haus kommt, dann gibt das Ãrger, ist doch klar, oder?«
Haben Sie das verstanden? Keine Sorge, ich brauchte auch einen Moment.
»Verstehe ich das richtig: Ein Mitglied einer anderen Gang ist in das selbe Haus gezogen, in dem Sie auch wohnen, ja?«
»Right.«
»Aha. Und da gab es dann Ãrger. Verstehe, verstehe. Haben Sie bei dieser Auseinandersetzung noch weitere Verletzungen davongetragen? Schlag- oder Stichverletzungen?«
»Ey Alte, glaubst du, mich kann einer schlagen? Pah! Wir haben geballert, Alte! Die boyz gegen die 13 Boys. Ich kann dir sagen, Schwester, das ging richtig zur Sache!«
»Gab es noch mehr Verletzte?«
»Sch*** ich drauf.«
Nun gut. Diese Unterhaltung brachte uns nicht weiter. Was mich nicht verwunderte. Wenn jemand eine SchieÃerei anfängt, nur weil ihm ein neuer Mieter im Haus nicht passt, dann scheint er ein grundlegendes Kommunikationsproblem zu haben.
Inzwischen hatte sich Dr. Claas H. die Schussverletzung angeschaut.
»Das muss operiert werden«, stellte er fest.
Er hatte den Satz kaum
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