Spritztour - Roman
seufzte sie wehmütig. »So habe ich mir unser letztes Wochenende vor Schulanfang ganz bestimmt nicht vorgestellt.«
Sie knüllte den Kittel zusammen und rutschte vom Untersuchungstisch. »Ich werd mich wohl umziehen müssen. Bitte geh für einen Moment raus, damit ich in dieses hinternlose Teil schlüpfen kann.«
Ian schob den Vorhang zur Seite und sah, dass er sich in der Nähe des Stationszimmers befand, offenbar dem Nabel der Notaufnahme-Station. Telefone klingelten, Ärzte bellten Anweisungen heraus, Krankenschwestern machten unleserliche Notizen auf einer Tafel. Ian stand still an der Seite und achtete darauf, niemandem im Weg zu sein, bis Felicia ihren Kopf aus dem Untersuchungsraum herausstreckte und ihn zurückwinkte.
Sittsam saß sie auf dem Stahltisch und mühte sich, den blauen Kittel so unter ihren Beinen festzuklemmen, dass ihr Hintern bedeckt blieb. »Man ist krank, man ist müde, und dann wird man in so ein Ding gesteckt, das eigentlich nicht für dreidimensionale Figuren gedacht ist. Das ist so erniedrigend.« Sie atmete hörbar aus. »Mir fehlt mein blöder Hund.« Felicia sah vollkommen fertig aus.
Spontan schnappte Ian sich aus einem großen Glasgefäß einen Spatel, zog aus einem Metallspender ein paar Gummihandschuhe und machte von einigen Hepatitis-Broschüren das Gummiband ab, verband die drei Dinge miteinander, griff sich einen schwarzen Marker, der an einem Bioabfalleimer festgemacht war, und malte auf den Kopf des Spatels ein Smiley. Dann hielt er sein Werk Felicia hin.
»Gefällt’s dir?«
»Klar, Ian. Was soll das sein?«
»Ein Hund. Weil, du … dir fehlt deiner doch. Die Handschuhe sind seine Ohren.«
»Aber wo sind die Pfoten? Und der Schwanz?«
»Tja, dahinter verbirgt sich eine tragische Geschichte …«
Sie lächelte und tätschelte den flachen Holzkopf des Hundes. »Wuff«, sagte sie.
Der Vorhang wutschte zur Seite und herein trat die Ärztin. Sie war recht jung und trug eine dicke Brille. Im Knoten auf ihrem Kopf steckten nicht weniger als vier Bleistifte.
»Hallo – ich bin Dr. Eggelston. Felicia, stimmt’s?« Die Ärztin sprach schnell und deutlich ohne Südstaatenakzent. Sie wartete die Antwort nicht ab. »Schlecht gewordener Käse, habe ich gehört. Das ist abscheulich. Ich mag Käse. Darf ich fragen, wo du ihm begegnet bist?«
»In Bodner. Stimmt das, Ian? Bodner?« Er nickte. »In Bodner, Indiana. Bei einer Freundin. Alte Käsetaschen. Haben aber ganz gut geschmeckt. Sie hatten eine dünne Kruste aus Blätterteig und eine dicke Käsefüllung. Nicht schlecht. Ich konnte nicht aufhören mit essen. Jetzt kann ich nicht aufhören mit spucken.«
»Also, ihr beide seid mit dem Auto unterwegs?« Die Ärztin blickte in einen Ordner und las mit augenscheinlichem Interesse. »Schön. Auf dem Weg zum College? Oder durchgebrannt? Aus dem Gefängnis geflohen?« Sie blickte auf. »Ich mache nur Spaß. Ich bin sicher, dass ihr keine entflohenen Gefangenen seid. Die Polizei sagt uns Bescheid, wenn jemand ausgebrochen ist.« Sie blickte wieder in den Ordner. »Also, wollen wir mal sehen. Erbrechen, unwesentlich erhöhte Temperatur, Magenkrämpfe …«
Die Ärztin machte ein paar kurze Untersuchungen, fragte alles noch mal, was die Krankenschwester schon gefragt hatte, und kam dann ebenfalls zu dem Schluss, dass es sich wahrscheinlich um eine Lebensmittelvergiftung handelte und dass vermutlich die Käsetaschen schuld waren.
»Also, verschreiben Sie ihr was? Muss Sie in der Klinik bleiben? Was passiert jetzt?«, fragte Ian.
»Entschuldigen Sie«, sagte Felicia. »Mein Freund hier hat es eilig. Ich bereite ihm gerade ziemliche Umstände.«
»Ich mache mir Sorgen«, erklärte er mit Nachdruck.
»Da kommt nichts mehr«, sagte die Ärztin. »Höchstwahrscheinlich wird das Erbrechen bald aufhören – wenn das nicht sowieso schon der Fall ist – und es wird ihr besser gehen. In zwei oder drei Tagen. Ihr Magen mag noch eine Weile empfindlich bleiben. Sie sollte beim Essen vorsichtig sein. Und sie braucht Flüssigkeit, sie muss klare Flüssigkeit zu sich nehmen – das ist das Allerwichtigste.«
Ian nickte. Er war außerordentlich erleichtert. Aber fast unmittelbar nachdem er erfahren hatte, dass Felicia nicht das Schicksal der Freundin der Cousine von Lances’ Mutter ereilen würde, verspürte er das dringende Bedürfnis, ins Auto zu steigen und so schnell über die Autobahn zu flitzen, wie es die Kreatur gefahrlos hergab.
»Also, wir können gehen?«, fragte er.
»Nun,
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