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Spritztour - Roman

Spritztour - Roman

Titel: Spritztour - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Behrens
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die Straße, Felicia krümmte sich voller Unbehagen und Ian fürchtete um sein Leben. Zu hören waren nur eine CD aus der Stereoanlage – ein Mix, den Felicia aus Chicago Hip-Hop und wütenden jungen Briten hergestellt hatte –, das donnernde Rattern des Wagens und ein gelegentliches Nachbeben von Felicias gastronomischem Schock.
    Ian berechnete, wie lange sie noch unterwegs sein würden.
    Vorausgesetzt, wir halten selten an und machen keine Umwege, werden wir etwa eine Stunde und fünfundzwanzig Minuten durch North Carolina fahren. Aber Lance fährt so irre, als machten wir eine Probefahrt für ein NASCAR-Rennen. Also, wenn ich die ursprünglich angenommene Zeit mit einem Nesbitt-Faktor von, sagen wir, 0,85 multipliziere, dann bleiben uns noch … Moment, eine Stunde und zwölf Minuten. Und von der Landesgrenze an sollen es noch mal drei Stunden und fünfzig Minuten bis Charleston sein. Berücksichtigen wir Lances’ verrücktes Affentempo, bleiben uns … hmm … drei Stunden und sechzehn Minuten. Nicht schlecht, echt. Nein, ganz und gar nicht schlecht.
    Aber Danielle hatte sich schon eine ganze Weile nicht gemeldet. Vielleicht hat sie mich abgeschrieben. Vielleicht sollte sie das. Oder sie hat auch ein bisschen Schiss bekommen. Schnell tippte er eine SMS an Danielle.
*KLEINER* UMWEG. TML. BIGE8DA.
VERSPROCHEN, ECHT!:)
    Er hatte bereits auf Senden gedrückt, da merkte er, dass er vor lauter Sorge diese SMS als echter Ian, nicht als Ian, der Arsch, geschickt hatte. Der Arsch Ian würde sich nicht entschuldigen, würde keine Ausrufezeichen benutzen und würde ganz sicher keine Smileys schicken. Scheiße, Mann, bleib in deiner Rolle. Du bist bald da.
    »Wir müssten um 20:39 in Charleston sein«, verkündete Ian seinen Freunden. »Plus/minus.«
    »Heißt das, er kann langsamer fahren?«, fragte Felicia. »Oder muss er dieses Höllentempo beibehalten?«
    »Langsamer geht nicht.«
    »Ich gebe mein Bestes, Kapitän Solo.«
    »Du weißt doch, dass Han Solo am Ende der Rückkehr der Jedi-Ritter General war, oder?«
    »Und du«, sagte Lance, »warst am Ende der Rückkehr der Jedi-Ritter der blasseste Typ der ganzen Galaxie. Deshalb solltest du bei deiner Schnucki-Schnecke deine Science-Fiction-Kommentare auf ein Minimum beschränken.«
    Sie fuhren weiter, über Flüsse und fast ständig durch Naturschutzgebiete. In regelmäßigen Abständen lobte Lance die Kreatur. Felicia erfand trotz ihrer andauernden Übelkeit ein Spiel, das ihnen die Zeit und die Langeweile vertrieb. Sobald sie an einem Ort mit einem einigermaßen merkwürdigen Namen vorbeikamen, komponierte sie ihm zu Ehren einen Country-Song.
    »Oh, da kommt ein Schild. Prima. Mal sehen … ›Junaluska‹. Perfekt. Hmm. … Mein Hund stinkt nach Kack und ich kipp nen Zwölferpack / Ich sitz am Telefon, doch mein Lance, der ruft nicht an / Donnerstag hab ich mich hingegeben und nun ist alles umsonst gewesen / Er hat mich sitzen lassen, besoffen und pleite, in Junaluskaaaaa …«
    »Super«, sagte Ian und klatschte. »Wieder ein Meisterwerk. Du hast echt eine Begabung für Country-Musik, Felicia. Fast so, als wärst du eine verlorengegangene Schwester der Judds oder so. Aber mit mehr Düsternis und Selbsthass.«
    »Danke, Ian.«
    »Genau, das war schön«, sagte Lance. »Aber warum muss ich in deinen Liedern immer der weiße Provinzler sein? Vielleicht will ich ja lieber der raue, verträumte Cowboy sein, dem du – die weibliche Balladensängerin – treu bist. Eigentlich müsste ich der Farmhelfer mit der großen Gürtelschnalle sein, nach dem du schmachtest.«
    »Hmm«, sagte sie. »Das Gefühl krieg ich nicht hin, Lance. Okay, hier kommt das nächste Schild …«
    Sie fuhren weiter, schossen die Bundesstraße 40 entlang. Sie erreichten South Carolina fast zu der Zeit, die Ian vorausberechnet hatte. Was er mit leisem Stolz registrierte. Und ebenso leise wurde er langsam nervös. Es gab keine Landesgrenzen mehr zu überqueren, keine Meilensteine mehr zu passieren. Jedenfalls nicht vor Charleston. Er bibberte innerlich.
    Felicia rief zu Hause an – vorgeblich, um sich bei ihren Eltern zu melden, wie es jede verantwortungsbewusste Tochter tun würde, aber hauptsächlich, weil sie wissen wollte, ob die Boone County Clinic mit den Eltern Kontakt aufgenommen hatte. Es hatte den Anschein, als wäre das nicht der Fall gewesen. Mit Felicias Mutter, die gerade beim Unkrautjäten war, als Felicia anrief, hatten sie zumindest nicht gesprochen. Der Vater war Golf spielen.

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