Spritztour - Roman
Schmerztablette drinbehalten?«
»Nein, wahrscheinlich nicht.« Ian stützte sie am Ellbogen. Sie lehnte sich an ihn. »Wir machen einfach langsam. Lance kann nicht weit sein. Es sei denn, es hat einen Schichtwechsel gegeben und er ist mit einer nach Hause.«
Sobald sich Ian und Felicia durch die Schwingtür geschoben hatten, sahen sie, was sie schon ein paar Sekunden vorher gehört hatten. Lance sang für die schnatternde Kinderschar im Warteraum. Die Kinder hockten im Schneidersitz um ihn herum und wiegten sich hin und her. Lance saß auf einem Schemel, eine Gitarre auf den Knien. Seit wann konnte Lance Gitarre spielen? Und wie hatte er in dieser Landklinik eine auftreiben können? Und seit wann hatte Lance Nesbitt ein Interesse daran, kleine Kinder zu unterhalten?
Ian entdeckte bald, dass offenbar alle hübschen jungen Schwestern – und die schien es in großer Zahl zu geben – irgendwo in der Nähe von Lance standen und klatschten. Ian erkannte sofort, welches Lied Lance spielte: Monkey Gone to Heaven von den Pixies, ein Lied, das Lance zweifelsohne irgendwann einmal bei Ian gehört hatte.
There was a guy
An underwater guy who controlled the sea.
Lance nickte den Kindern zu und lächelte. Die Schwestern strahlten ihn voll besinnungsloser Zuneigung an. Felicia lachte lautlos. Ian starrte Lance verwirrt an, der nun zum Refrain kam:
This monkey’s gone to heaven, this monkey’s gone to heaven …
Als Lance mit dem Lied fertig war, bedrängten ihn die Kinder, bettelten um noch ein Lied. Die Schwestern kicherten und zogen ihren Kreis um Lance enger. Unglaublich. Er mag das Lied noch nicht mal. Er hat nicht mal die CD. Und er singt wie ein Schaf. Trottel! Er weiß einfach, dass Kinder Affen mögen und scharfe junge Schwestern Kinder. Ian und Felicia bahnten sich ihren Weg durch die Menge und packten Lance am Arm.
»Komm schon, Elvis«, sagte Ian. »Wir müssen.«
»Aber … ähm, muss Felicia nicht eine Infusion kriegen? Müsste sie nicht die Nacht hierbleiben? Du weißt schon, zur Beobachtung? Sollte sie nicht …?«
»Nein. Sie kommt schon klar. Gehen wir.«
Ian führte Lance von seinen hingerissenen Fans weg.
»Ist der süß!«, sagte eine Schwester. »Zum Fressen ist der!«
»Bittäh!«, rief ein kleiner Junge. »Spiel noch mal das Affenlied.«
Aber Lance war schon an der Tür. Er blieb kurz stehen und reichte die Gitarre einem kräftigen, kleinen Mann, der wie ein mexikanischer Mariachi-Sänger gekleidet war. Er saß neben einem stöhnenden Kameraden, der ein blaues Auge, dicke Lippen und einen grauslich gebrochenen Arm hatte.
»Gracias, Senõor!«, sagte Lance.
»Nein, Senõor«, sagte der Mariachi. »Ich danke Ihnen .« Der Mann mit dem gebrochenen Arm nickte.
»Das gibt’s doch nicht«, sagte Ian.
»Wenn wir noch eine Stunde geblieben wären, hätte ich garantiert eine stille kleine Vorratskammer gefunden, wo Linda und ein paar ihrer Freundinnen und ich …«
»Ach, gib nicht so an, Lance«, sagte Felicia.
»Nein, im Ernst. Schwestern sind scharfe Bräute, echt.«
»Macht dir unsere Fahrt denn keinen Spaß, Lance?«, fragte Felicia.
»Ist nicht übel«, antwortete Lance und ging aufs Auto zu. »Aber Lafferty ist ’ne fette Spaßbremse.« Sie traten aus der Klinik in die drückend heiße Sonne des Südens.
15 Die Uhr der Kreatur zeigte 13:32. Aber, fiel Ian ein, jetzt war Ostküstenzeit. Also 14:32. Er stellte die Uhr um.
Lance saß am Steuer. Er hatte darauf bestanden zu fahren, als Kompensation für frühere Missetaten. Ian hätte protestiert, wenn ihm nicht so der Schädel gebrummt hätte. Fehlender Schlaf, die stressigen Zwischenfälle und jede Menge extrem ungesunde Nahrung hatten ihn zur Strecke gebracht. Außerdem hatte Lance den Ruf, ungehörig schnell zu fahren und dazu mit rücksichtsloser Präzision. Für jemanden, der verlorene Zeit aufholen wollte – und darum ging es Ian –, war Lance der richtige Mann.
Die Kreatur scherte aus und ließ auf dem Parkplatz der Boone County Clinic eine Wolke aus Staub und Sand zurück. Die Reifen qualmten. Das Auto fuhr quietschend über einsame Landstraßen, vorbei an dem Gorilla, dem bösen Omen von Woodys Provinz-Oase, und zurück auf die Autobahn. Der alte Motor der Kreatur klang wie eine Waschmaschine voller Backsteine, dennoch konnte sich Ian nicht dazu durchringen, einen Blick auf die Geschwindigkeitsanzeige zu werfen. Immerhin kamen sie wirklich sehr gut voran.
Die Insassen des Wagens waren still. Lance konzentrierte sich auf
Weitere Kostenlose Bücher