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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Fenster zum Park. Angenehm ruhig, wie die Dame es wünschte. Das Problem bestand allerdings darin, dass er so verdammt leise sein musste, wenn es ihm einmal gelang, eine Braut mit nach Hause zu bringen.
    Die Möblierung bestand aus einem 120 Zentimeter breiten Bett, einem Sessel mit rotem Bezug und einem Schreibtisch von Ikea, auf den er seinen Laptop gestellt hatte. Er hatte ihn von einem unaufmerksamen Idioten an der Universität geklaut. Ein leichtes Spiel. Er hatte einfach gewartet, bis der Besitzer zur Toilette gegangen war. Die meisten Studenten nahmen ihre PC s mit, aber manche ließen es auch darauf ankommen. JW witterte seine Chance – steckte ihn in seine Schultertasche und schlich sich hinaus.
    Seine alte Schreibtischlampe aus Kindertagen war am Schreibtisch festgeschraubt; allerdings befanden sich an ihr noch die Reste von alten Teddybär-Aufklebern. Oberpeinlich. Umso wichtiger, die Lampe auszuschalten, wenn er ein Heimspiel hatte.
    Überall lagen Kleidungsstücke herum. Ein Poster klebte an der Wand: Schumacher im Formel- 1 -Overall, wie er vom Siegerpodest aus Champagner verspritzte.
    Das Zimmer war ganz einfach bescheiden. Er zog es allemal vor, die Bräute in ihre Wohnungen zu begleiten.
    JW hatte nichts dagegen, für die Uni zu lernen. Im Gegenteil, er schrieb lieber seine eigenen Berichte, anstatt die von anderen aus dem Internet herunterzuladen, er beteiligte sich aktiv an den Seminaren, wenn er vorbereitet war, und bemühte sich, hinterher jedes Mal die Übungsaufgaben zu machen. Tat sein Bestes, um Ambitionen zu zeigen.
    Er schlug die Bücher auf. Die Prüfung in Finanzen war die schwerste. Eigentlich benötigte er noch mehr Zeit.
    Überlegte, rechnete, tippte auf seinem Taschenrechner. Seine Gedanken wanderten zurück zu der gestrigen Diskussion mit den Boys. Wie viel verdiente der Neger eigentlich mit dem Verkauf von Cola? Wie viel nahm er im Monat ein? Was hatte er für eine Marge? Risiko kontra mögliche Einnahmen. Das musste doch auszurechnen sein.
    JW listete in Gedanken seine Ziele im Leben auf. Erstens, sein Doppelleben auf keinen Fall zu enthüllen. Zweitens, ein schickes Auto zu kaufen. Drittens, steinreich zu werden. Und schließlich, herauszufinden, was mit Camilla geschehen war. Ein Schritt, um über den Verlust hinwegzukommen – soweit das überhaupt möglich war.
    Principles of Corporate Finance – er schleppte sich durch sieben Seiten. Worin besteht der Unterschied bei der Finanzierung eines Unternehmens mittels Aktien oder Anleihen? Wie verändert sich der Wert des Unternehmens? Vorzugsaktien, Betawert, Rates of Return, Obligationen und so weiter. Er machte sich Notizen auf seinem Kollegblock, unterlegte Passagen im Buch mit einem neongelben Marker und war drauf und dran, über den aufgeschlagenen Seiten mit Grafiken und Gleichungen einzuschlafen.
    Immer wenn er einnickte, glitt ihm der Stift aus der Hand. Was ihn wiederum weckte. Er dachte: Es hat keinen Sinn, um diese Uhrzeit weiterzumachen.
    Zeit, das täglich Brot einzufahren.
     
    Er war auf dem Weg zum Medborgarplats auf Södermalm. Es war dreiundzwanzig Uhr fünfzehn. Er fuhr die Sibyllegata hinunter, am Berzelii Park vorbei in Richtung Strandvägen. Gefährliches Terrain, bedrohlich nah am Viertel der Boys.
    JW war in Gedanken bei seiner Schwester. Was wusste er eigentlich über ihr Leben in Stockholm? Die SMS , Anrufe und Mails, die er erhalten hatte, waren oftmals eher oberflächlich. Camilla hatte im Kafé Ogo in der Odengata gejobbt und war aufs Komvux, die Schule für Erwachsenenbildung, gegangen, wo sie Schwedisch-, Mathe- und Englischkurse belegte. Hatte einen Typen gehabt. JW wusste nicht mal seinen Namen. Er wusste nur ein interessantes Detail – dass der Typ einen gelben Ferrari gefahren hatte. Zu Hause in Robertsfors lagen Fotos von Camilla in diesem Auto, auf denen sie strahlte und aus einem heruntergekurbelten Fenster winkte. Das Gesicht ihres Freundes war auf den Fotos nicht zu sehen. Wer war er nur?
    JW fuhr am Außenministerium am Gustav Adolfs torg vorbei. In der Stadt waren viele Leute unterwegs. Alle waren inzwischen wieder aus dem Urlaub zurück und wollten nun nachholen, was sie verpasst hatten, während sie draußen in ihren Sommerhäusern und auf ihren Segelbooten faulenzten. Bei Slussen fuhr er durch den Tunnel in Richtung Medborgarplatsen. Er parkte den Wagen vor dem Scandic Hotel und stieg aus. Stellte sich vor das Lokal Snaps. Dort gab es immer jemanden, der nach Hause oder in die

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