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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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hingegen hatte versucht, alles am Laufen zu halten. Sich darauf versteift, dass es ein Unglück war, gehofft, dass es hilfreich sein würde, sich im örtlichen Amnestyclub zu engagieren, noch mehr zu arbeiten und zu einem Therapeuten zu gehen, bei dem sie sich ihre Alpträume von der Seele reden konnte, so dass sie, da sie nunmehr zweimal in der Woche von dem verdammten Psychologen an ihre Träume erinnert wurde, sie wieder und wieder träumte. JW hingegen war sich über eins im Klaren:
No fucking way,
dass Camilla plötzlich einer Eingebung gefolgt, irgendwohin gereist war und vier Jahre lang nichts von sich hatte hören lassen. Sie war tatsächlich verschwunden. In ihrem Inneren dachten wahrscheinlich alle dasselbe.
    Die Situation belastete JW . Denn er war überzeugt, dass jemand die Schuld daran trug, ohne dafür bezahlt zu haben.
    Die Stimmung zu Hause erdrückte ihn nahezu. Er sah sich gezwungen wegzuziehen. Gleichzeitig sah er sich gezwungen, die Reise seiner Schwester nachzuvollziehen. Camilla, drei Jahre älter als er, hatte Robertsfors ebenfalls frühzeitig verlassen, als Siebzehnjährige. Sie hatte einfach mehr vom Leben erwartet, als in einer pseudoglücklichen Welt vor sich hin zu vegetieren. Als sie klein waren, hatten Camilla und er sich öfter geprügelt und gestritten als andere Kinder, behauptete seine Mutter. Sie hatten kein gutes Verhältnis zueinander gehabt. Aber nachdem sie zwei Jahre in der Stadt gelebt hatte, entwickelte sich so etwas wie eine Beziehung zwischen ihnen. Er bekam plötzlich die eine oder andere SMS , manchmal einen kurzen Anruf oder auch eine E-Mail. Sie schienen beide zu erkennen, dass sie in dieselbe Richtung wollten. JW wurde im Nachhinein klar, dass sie sich ziemlich ähnlich waren. Camilla in JW s Phantasie: die Königin von Stureplan. Die weitaus kesseste Partyqueen. Über alles erhaben. Überall bekannt. Letztlich genau das, was er selbst anstrebte.
     
    Der Taxideal war simpel. Er bekam ein Auto von Abdulkarim Haij gestellt, einem Araber, den er vor einem Jahr in irgendeiner Kneipe getroffen hatte. Holte es mit vollem Tank ab und brachte es mit vollem Tank wieder zurück. Die anderen Fahrer in der Stadt akzeptierten ihn – sie wussten, dass er für den Araber fuhr. Der Preis wurde nach jeder Fahrt ad hoc bestimmt. JW notierte die Informationen auf einem Kollegblock, beispielweise wann der Kunde einstieg, wohin er gefahren werden wollte, und wie viel er bezahlen musste. Vierzig Prozent der Einnahmen gingen an Abdulkarim.
    Hin und wieder machte der Araber Stichproben. Einer seiner Kompagnons gab sich dann als Kunde aus und ließ sich von JW fahren. Abdulkarim verglich daraufhin den Preis, den sein Kontrolleur hatte bezahlen müssen, mit den Angaben auf dem Block. JW war ehrlich. Er wollte sein Extraverdientes nicht unnötig aufs Spiel setzen. Denn es war eine Art Rettungsanker, seine Chance im Rennen um die Punkte bei den Boys.
    JW stellte allerdings eine Regel auf. Er nahm keine Fahrten von Stureplan aus an. Das Risiko, im eigenen Territorium entdeckt zu werden, war zu groß.
     
    JW würde heute Abend pechschwarz fahren. Er holte das Auto bei Abdulkarim in Huddinge ab, einen Ford Escort, Baujahr 1994 , mit ehemals blendend weißem Lack. Das Wageninnere war ziemlich heruntergekommen, es gab keinen CD -Player, und die Bezüge der Sitze waren an den Kanten durchgescheuert. Er lächelte über den Versuch des Arabers, den Wagen etwas aufzufrischen – Abdul hatte drei Wunderbäume an den Rückspiegel gehängt.
    JW fuhr zu sich nach Hause. Es war ein kühler Augustabend – wie gemacht für das Taxibusiness. Wie jedes Mal war es schwer, auf Ö-malm einen Parkplatz zu finden. Die Stadtjeeps brauchten einfach zu viel Platz. Als er an einem Exemplar des neuesten Porschemodells, dem Cayman S, vorbeifuhr, lief ihm fast der Speichel aus dem Mund. Ein 911 er, sozusagen eine Antwort auf den Boxster – Schönheit per Definition. Schließlich fand er einen Parkplatz; zum Glück war der Ford keine Riesenkutsche.
    Er ging die Treppe zu seinem Zimmer bei Frau Reuterskiöld hinauf. Es war einundzwanzig Uhr. Es machte keinen Sinn, vor Mitternacht mit dem Taxi loszufahren. Also nahm er seine Lehrbücher zur Hand. In vier Tagen hatte er eine Prüfung.
    Die Wohnung lag am Tessinpark. Im unteren Teil von Gärdet zu wohnen kam JW entgegen, der obere Teil hingegen erschien ihm zu trist. Sein Zimmer war zwanzig Quadratmeter groß und besaß einen eigenen Eingang, eine Toilette und ein großes

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